Der Mann im Park: Roman (German Edition)
hat?«
»Genau.«
»Und – haben Sie einen gefunden?«
Stierna zuckte mit den Schultern. Der Alkohol hatte seine Gesten träger werden lassen, unkontrollierter.
»Sie stammten aus demselben Ort. Gingen in dieselbe Volksschule. Waren dieselben Wege gegangen in ihrer Kindheit. Aber wir haben nichts gefunden, was darauf hindeutet, dass sie einander näher kannten. Sie waren ja nicht im gleichen Alter. Und wir haben mit der Familie gesprochen. Mit alten Klassenkameraden. Den Arbeitgebern und vielen anderen.«
»Haben Sie etwas gefunden, was darauf hindeutet, dass der Mann, der sich das Leben genommen hat, etwas mit dem Mord an dem Mädchen zu tun hatte? Dass er dort gesprungen ist, um den anderen damit etwas mitzuteilen … Sozusagen als letzte Willensäußerung?«
»Nein. Und ich kann sagen, wir haben überall gesucht. Aber wir haben keinen einzigen Hinweis darauf gefunden, dass er jemals in Stockholm gewesen ist. Er hat die Gemeinde kaum verlassen. Zumindest schien es so.«
Grönwall schrieb etwas in seinen Notizblock.
»Wissen Sie, warum er sich das Leben genommen hat?«
»Nicht genau, er hat keinen Abschiedsbrief hinterlassen. Aber da war so einiges im Hintergrund. Er hatte Schulden, die er nicht zurückzahlen konnte. Er wollte mehr Lohn von seinem Arbeitgeber, den hat er aber nicht bekommen. Ich glaube, das hat auch zu Streit mit seiner Frau geführt.«
»Sind das ausreichende Gründe, um sich das Leben zu nehmen?«
»Möglich ist es – kommt drauf an.«
Eine Weile schwiegen beide. Stierna wurde von all dem Reden müde, er genoss den Moment der Ruhe.
Grönwall trank von seinem Bier, bevor er fortfuhr.
»Sie wollen mir nicht sagen, wie er hieß?«
»Wer?«, fragte Stierna zurück.
»Der Mann, von dem Sie glauben, dass er Ingrid Bengtsson ermordet hat. Der Mann, dessen Vater Bahnhofsvorsteher war, ein ›Stins‹.«
»Nein, das wäre nicht korrekt. Es gibt keine Beweise, die ihn mit dem Mord verbinden. Keinen Zeugen, der ihn mit dem Mädchen gesehen hat. Außerdem ist er für tot erklärt worden.«
»Und von dem, der sich das Leben genommen hat, auch nicht? Oder welche Orte Sie 1941 besucht haben?«
»Das kann ich nicht. Das wäre gegen die Dienstvorschriften.«
»Aber Sie sind doch nicht mehr bei der Polizei.«
Stierna gab keine Antwort und schaute lächelnd auf die Tischdecke.
»Dann hatten Sie also Glück«, sagte Grönwall schließlich.
Stierna musste nicht nachfragen, was er damit meinte.
»Ja. Das ist vielleicht traurig, aber wahr. Und für Sie ist es wohl besonders traurig, denn es ist nicht das, was die Leser wollen. Aber so ist es bei einem Mordfall. Meistens fassen wir den Täter noch am Tatort. Einen Mann, der seine Frau erschlagen hat, oder einen Landstreicher, der einen anderen Landstreicher wegen einer Flasche Schnaps erschlagen hat. Oft kriegen wir sie gleich, denn viele bleiben dort, wo es passiert ist. In der Wohnung, vor der Kneipe oder wo immer das sein mag. Sie geben in ihrer Reue sofort alles zu. Und wenn sie nicht mehr da sind, dann finden wir sie schnell, denn wir wissen genau, wo wir suchen müssen. In der Familie, im Freundeskreis. Die einfachen Fälle lösen wir gleich. Und dann gibt es die schwierigen, bei denen wir uns festfahren. Das sind nur wenige, aber auf die stoßen wir immer wieder.«
»Die schwierigen Fälle? Wie der von Ingrid Bengtsson?«
»Exakt. Bei denen es keine offensichtliche Verbindung zwischen Opfer und Täter gibt. Bei denen haben wir oft kein Glück. Denn es gibt vielfach kaum etwas Greifbares. Und wenn wir uns wirklich festfahren … dann können wir eigentlich nur auf irgendeinen Tipp hoffen. Und so etwas passiert nicht selten erst mehrere Jahre später. Enge Verbindungen, die sich im Laufe der Jahre lösen und jemanden dazu bringen zu reden. Scheidungen, die eine geknechtete Ehefrau plötzlich reden lassen. Freundschaften, die zerbrechen, sodass nichts mehr heilig ist. Aber so etwas braucht Jahre, viele Jahre.«
»Ich verstehe.«
Stierna hörte gar nicht hin, fuhr einfach fort.
»Andererseits muss es gar nicht sein, dass jemand plötzlich anfängt zu reden. Es kann auch sein, dass durch Zufall etwas gefunden wird.«
»Wie der Wagen aus dem See?«
»Wie der, ja. Die genialen Lösungen, die können Sie vergessen. Denn die existieren nicht. In so einem Fall … Ich war bei einem Fall dabei, da wurde auf einem Dachboden zehn Jahre nach einem Mord in Solna eine Tasche gefunden. Und diese Tasche war entscheidend dafür, dass wir einen
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