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Der Mann mit dem Fagott

Titel: Der Mann mit dem Fagott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Juergens , Michaela Moritz
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routiniertes, professionelles weibliches Stöhnen.
    Gefühl der Peinlichkeit. Wo habe ich Gitta hier nur hingebracht? Kann ich ihr nicht einmal ein ruhiges, gemütliches, anständiges, romantisches Zimmer für diese so unendlich wichtige Nacht bieten? Sollen wir in der Zukunft unser Leben in Stundenhotels verbringen? Unentschlossen stehe ich vor meiner Tasche. Auspacken oder lieber wieder gehen, die Nacht bei den anderen im Bus verbringen? Vielleicht wäre es würdevoller.
    Gitta und ich sehen uns unsicher an. Nebenan schnelleres Quietschen, Keuchen, dann abrupt Stille. Skurrilität und Beklemmung im gleichen Augenblick. Wir sehen uns in die Augen - und müssen plötzlich schallend lachen.
    Wir bleiben.

MS Waterman
    Tief und weithin tragend, durchdringend der Ton der Schiffssirene. Mit großen Winden werden die Taue der »MS Waterman« eingeholt. Vorbereitung zur Abfahrt. In wenigen Minuten geht’s los.
    Unsere kleine Reisegruppe ist schon seit einigen Stunden an Bord. Wir haben unsere Pritschen im Massenschlafsaal belegt, an dessen Wänden man die Kälte des Ozeans fühlen kann, haben unsere Koffer unter den quietschenden, durchgelegenen Kojen verstaut, uns ein wenig umgesehen, sind durch das Labyrinth der engen, zum Teil mit Getränke- und Speisekisten vollgestellten Gänge geirrt. Von Luxus weit und breit nichts zu sehen.
    »Bist du sicher, daß dieses Schiff in der Lage ist, den Atlantik zu überqueren?« habe ich Herwig ein wenig zögernd gefragt, als wir »unser« Schiff in Augenschein nahmen.

    »Na, die ›Titanic‹ ist es sicher nicht«, gibt Herwig sarkastisch zurück, »aber dafür bringt dieses Schiff uns nach New York. Hoffentlich …«
    Mit ihren 10 000 Bruttoregistertonnen ist die »MS Waterman« wesentlich kleiner als die anderen Ozeanriesen, zwischen denen sie etwas verschämt vertäut liegt. Die auf den ersten Blick weiße Farbe ist an vielen Stellen bereits abgesplittert und kann nur noch oberflächlich den Rost überdecken, der sich darunter an vielen Stellen gebildet hat. Dieses Schiff hat ohne Zweifel schon bessere Tage gesehen. Nein, es ist kein Luxusdampfer, der reiche Urlauber von Europa nach Amerika und wieder zurückbringt. Die Offiziere sind Holländer, die Mannschaft größtenteils Asiaten. Es ist ein eigentlich für diese Reise viel zu kleiner, enger Kahn mit Massenschlafsälen, sehr einfacher Verpflegung. Alles ist etwas heruntergekommen, wie wir schon in diesen ersten Stunden, noch im Hafen liegend, feststellen konnten. Ein Schiff, mit dem nicht mehr viel Staat zu machen ist. Die meisten unserer Mitreisenden sind Emigranten, die ihr letztes Geld in diese Überfahrt investiert haben, ohne Rückfahrticket. Gestrandete des Schicksals, die »drüben« auf eine neue Chance warten, ihre allerletzte. Kriegsheimkehrer, die vor dem Nichts stehen, Flüchtlinge vor dem Kommunismus, Menschen, die nicht an Europa glauben und die aus den Trümmern der Geschichte in die »Neue Welt« fliehen, die unbeschadet ist und stark und frei … Dazwischen Studentengruppen aus anderen europäischen Ländern, die wie wir mit »Experiment In International Living« in die Neue Welt fahren.
    In meinen von Hollywood-Filmen geprägten Phantasien vom Auslaufen eines Ozeandampfers nach Übersee habe ich immer Hunderte Menschen winkend am Pier gesehen, ein kleines Orchester, das die Reisenden würdig verabschiedet, weiße Taschentücher, die im Wind wehen. Das Auslaufen der »MS Waterman« aber scheint kaum jemanden anzulocken. Die meisten Passagiere auf diesem Schiff lassen niemanden zurück, der ihnen eine gute Reise und eine gute Rückkehr wünscht. Sie haben niemanden mehr in der alten Welt, und sie werden auch nicht zurückkehren. Nur ein paar Neugierige bleiben stehen, Touristen auf Hafenbesichtigungstour. Dazwischen Gitta, einsam winkend. Sogar mit einem
weißen Taschentuch wie im Film. Eine in dieser Konstellation etwas skurrile und doch unendlich berührende Inszenierung. Lächelnd krame ich ebenfalls mein Taschentuch heraus und winke zurück.
    Plötzlich erklingt sogar Musik. Es ist aber nicht der zünftige Klang eines Blasorchesters, der uns verabschiedet, sondern jener einer einsamen Trompete: ein Mann in zerschlissener Kleidung, einen alten Hut neben sich auf dem Boden, spielt »Muß i’ denn, muß i’ denn zum Städtele hinaus«, wirbt um ein paar Groschen.
    Was für ein merkwürdiger Abschied, denke ich, während das Schiff sich unendlich langsam, von Schleppkähnen gezogen in Bewegung setzt, die

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