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Der Mann mit dem Fagott

Titel: Der Mann mit dem Fagott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Juergens , Michaela Moritz
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und verehrt. Und jetzt soll er tot sein? Mit nur 23 Jahren? Ausgerechnet an meinem 21. Geburtstag?! Diesem herrlichen Tag, der so viel Freude und Hoffnung für mich brachte!? Seltsame Verschlingungen des Schicksals. Wir können es überhaupt nicht fassen. Totale Ernüchterung.
    Völlig in unsere Gedanken versunken, still wie selten, packen wir ein und schließen ab.
    Eine klare, trockene, kalte Nacht. Beinahe Vollmond. Patsy
zeigt mir die Sterne. Dahin denkt sie sich manchmal, erklärt sie mir, ganz weit weg. Einfach ins Weltall. Weg von all diesen Dingen, die man so schwer verstehen kann. Sie glaubt noch an das Märchen von der Goldmarie, vom Glück, das die Guten irgendwann trifft, die, die eine gute Seele haben. Und vom Beschützer, der für sie die Sterne vom Himmel holt. Das würde ihr schon reichen: geliebt zu werden, eine Schulter zum Anlehnen zu haben, jemanden, für den sie die ganze Welt ist. Mehr braucht sie nicht zum Glücklichsein. Man muß dieses verdammte, unbegreifliche Leben genießen, denke ich mir. Es kann so kurz sein.
    »Komm doch mit zu mir«, bittet sie mich, »es ist so leer und kalt dort alleine.« Auch ich sehne mich in dieser Nacht nach Wärme, nach der Nähe eines Menschen, auch nach einer schönen Dusche, einem kuscheligen Bett, frei vom Gestank der Tankstelle.
    Ich lege meinen Arm fest um sie. Beinahe schweigend gehen wir nach Hause.
    Patsy versucht schnell, das zerwühlte Bett ein wenig zu richten. Im Aschenbecher die ausgedrückten Zigaretten ihres Gastes, auf dem Nachttisch eine Flasche Sekt und zwei Gläser. Ein schmerzlicher Anblick. Schwierig, nicht hinzusehen. Ich öffne endlich ihr Päckchen: eine kleine Flasche meines Lieblingsrasierwassers »Eau Sauvage«. Sie errötet:
    »Weißt du, ich rieche das immer so gern an dir. Wenn ich das rieche, fühle ich mich sofort sicher und geborgen.« Ich schließe sie in die Arme.
    »Es wäre schön, wenn es immer so sein könnte«, meint sie nach einem Moment der Stille, »wenn du einfach hier wärst, für mich da wärst. Du könntest bei mir wohnen, müßtest gar keine Miete zahlen. Es wäre einfach schön, nicht so allein zu sein …«
    Ich zögere. Der Ritter in mir, der sie beschützen will. Doch ich weiß, daß ich es nicht kann.
    »Weißt du, ich bin nicht der richtige dafür«, sage ich traurig. Es ist auch eine persönliche Niederlage. »Ich kann doch noch nicht mal auf mich selbst so richtig aufpassen. Ich kann dir nicht die Sterne vom Himmel holen, und du hast einen Mann verdient, der das kann. Ich muß mich genau wie du mit Sternschnuppen und Träumen und Wünschen begnügen. Das hilft dir nicht weiter. Und mir auch nicht.« Und nach einer Pause. »Und ich kann nicht in
Salzburg bleiben. Nicht für lange. Ich muß weiter. Wohin, das weiß ich noch nicht, dorthin, wohin mein Job mich treibt. Du kennst doch meine etwas unruhige Seele. Du brauchst einen Mann, der im Leben steht, der dir eine Zukunft bieten kann, der dich vielleicht aus der Scheiße rausholt. Und das kann ich nicht. Ich weiß ja nicht mal selbst so genau, ob ich eine Zukunft habe.«
    »Du hast eine Zukunft«, antwortet sie mit trauriger Sicherheit, »und zwar eine große. Das kann ich einfach fühlen. Aber in dieser Zukunft ist kein Platz für mich. Du wirst die Sterne erreichen, und vielleicht denkst du dann noch manchmal an mich. Das wäre schön! Dann bist du auch ein bißchen meine Zukunft.«
    Wir schließen uns fest in die Arme, die Liebe eines Augenblicks. Schweigen. Suchen Halt an einem Moment, der vergehen muß. Mehr als der Moment bleibt uns nicht. Nur Wärme, Nähe, Nicht allein sein. Mehr geschieht nicht in dieser Nacht. Wir schlafen, uns fest in den Armen haltend, ein.

Heinrichs Vermächtnis
    Die Sonne scheint mir ins Gesicht, als ich in Patsys Wohnung gegen Mittag erwache. Sie ist schon aufgestanden, hat sich angezogen, muß zum Einkaufen. Samstags schließen die Läden früh.
    »Möchtest du auf mich warten und mit mir frühstücken?« Ihre rührende Sehnsucht nach der Illusion biederen Familienlebens. Ich kann nicht bleiben, muß noch nach Hause, mich umziehen, dann zum Mittagessen mit meinen Eltern.
    »Dann eben ein andermal.« Wir verabschieden uns mit einer sanften Umarmung, deren Leichtigkeit mich überrascht. »Du kannst bleiben, so lange du willst. Zieh einfach die Tür hinter dir zu.«
    Ich nehme schnell eine Dusche. Herrlicher Luxus! Keine Zeit nachzudenken, eile, noch in meiner Bühnenkleidung, nach Hause. Die anderen schlafen noch. Leise

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