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Der Mann mit dem Fagott

Titel: Der Mann mit dem Fagott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Juergens , Michaela Moritz
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Wegfindung oder Kritik. Sein »ich bin stolz auf dich« lindert ein wenig meine Nervosität.
    »Morgen mittag zum späten Frühstück im ›Café Bazar‹ an der Salzach?«
    Sie stimmen begeistert zu. Ein allerletzter Tanz vor dem Heimweg. »Tango Nocturno«, ein Wunsch, den wir ihnen gern erfüllen.
    Noch einmal strahlend über das Parkett. Spiel von Nähe und
Verweigerung, der ewigen, sich nur für kurze Momente erfüllenden Sehnsucht.
    Kurz vor Mitternacht. Die letzten Minuten meines Geburtstags. Fühle mich ein wenig verloren. Nur einen Augenblick lang. Die Volljährigkeit ist unwiderruflich geworden. Bin auf mich selbst gestellt, ganz offiziell. Sonst hat sich nichts verändert.
    Der Teller ist mäßig gefüllt, die Leute rufen mir ihre Wünsche zu, spendieren mir den einen oder anderen Drink, tanzen oder lachen, unterhalten sich. Menschen kommen einander näher bei unserem Spiel oder trennen sich, sprechen über ihre Sorgen oder vergessen sie für einen Augenblick, stillen ihre Sehnsucht nach Wärme oder fühlen sich allein wie nie. Gegensätze vereinen sich im »Esplanade« wie überall in dieser Zeit. Und wie in mir selbst.
    Kurz nach vier Uhr morgens. Die letzte Zigarette des Abends, der letzte Drink. Nur noch wenige Gäste. Wir sind alle müde.
    Patsy betritt vorsichtig das Lokal, vergewissert sich erst, daß meine Familie gegangen ist, setzt sich an die Bar. Sie wirkt abgespannt. Unendliche Einsamkeit in jeder Bewegung. Rettungslos verloren im Jetzt und Hier, keine lebenswerte Zukunft greifbar. Kleine Träume von Unbeschwertheit, fast wie ein Kind. Die Wirklichkeit holt sie schnell wieder ein, läßt sich nicht wegspülen mit einem Drink und auch nicht wegsingen mit dem romantischsten Liebeslied. Ihre Seele im Aufruhr. Aufbegehren gegen die Ungerechtigkeit der Welt. Suche nach Liebe, nach Reinheit. Den Glauben daran hat sie noch nicht verloren, das macht es ihr auch so schwer.
    Die letzten Gäste sind gegangen. Der Chef, wieder mal völlig betrunken, will noch nicht heimgehen, will »Granada« hören. Auch er ein Verlorener der Nacht, gestrandet in einer Bar, einem Leben fern der Wirklichkeit, das keinen Schutz davor bietet, von ihr eingeholt zu werden. Trost gibt es hier nur, wenn man ihn nicht wirklich dringend braucht. Ich kann ihm seinen Wunsch heute nicht abschlagen. Immerhin hat er mir Hauspreise gewährt. Und er legt 100 Schilling auf unseren Teller, wie für jedes »Granada«, das ich ihm zuliebe singe. Davon können wir nach dem Esplanade noch ins »Maxi« gehen und uns auch am nächsten Tag im »Stierwascher« satt essen. »Granada« hat uns schon so manches Menü finanziert. Das eigentlich sehr schöne Lied kann ich aber schon nicht mehr hören.

    Ich überwinde meine Müdigkeit noch einmal und singe ihm sein Lieblingslied. Völlig blau grölt er mit. Das hat mir gerade noch gefehlt. Patsy nimmt ihm sanft den Drink aus der Hand, nimmt ihn am Arm. Die Kellner sind bereits gegangen.
    Während wir einpacken, schaltet Buddy noch schnell das Radio ein. Vielleicht kommt ja noch eine schöne Nummer, irgendein Song, der die plötzliche Stille nicht so wichtig erscheinen läßt. »BFN«, British Forces Network, da läuft immer gute Musik. Krachen, Rauschen, dann hat er den Sender gefunden. Dinah Washington. Na bitte, das ist doch etwas! Er strahlt mich an. Kurze Freude.
    Doch dann plötzlich die aufgeregte Stimme des Radio-Sprechers in die letzten Takte von »Tell Me Why« hinein: Worte, die wir nicht sofort begreifen. Es fällt der Name James Dean, und »killed by accident«, »bei einem Unfall verstorben«. Nein, bitte nicht! Wir haben uns bestimmt verhört! Das kann doch einfach nicht wahr sein!
    »Mach mal lauter!« fordere ich energisch. In der plötzlich eingetretenen Stille hätte man die berühmte Stecknadel fallen hören können. Sogar der Wirt schaut uns völlig ungläubig an. Die Nachricht wird noch einmal wiederholt. Nein, wir haben uns nicht verhört.
    Es wird zur traurigen Gewißheit: James Dean ist tot! Im Radio irgendein langsames Lied. Keiner sagt etwas. Entsetzt schauen wir uns an. Vor kurzem haben wir noch gemeinsam »Denn sie wissen nicht, was sie tun« gesehen. Dieser junge, so unglaublich charismatische Amerikaner hatte eine Revolution jugendlichen Denkens und Fühlens ausgelöst. Das neue Selbstbewußtsein meiner Generation, das sich bislang noch nie artikuliert hatte, hat durch ihn ein Gesicht bekommen. Eine ganz neue Variante des Hollywood-Helden.
    Wir alle haben ihn bewundert

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