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Der Mann mit dem Fagott

Titel: Der Mann mit dem Fagott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Juergens , Michaela Moritz
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stundenlang durch schlaflose Nächte getragen, wie meine Eltern es mit mir gemacht haben, wenn ich Angst hatte und Alpträume und Ohrenschmerzen. Ich habe noch nie in meinem Leben eine Windel gewechselt. Es war für mich immer selbstverständlich, daß Panja dafür zuständig ist. Ich bin für all die kleinen Wehwehchen und großen Sorgen des Alltags nur dann zuständig, wenn ich gerade zufällig zu Hause bin. Ich nehme Anteil an ihrem Großwerden - meist aus der Ferne. Anders läßt sich mein Beruf nun einmal nicht leben. Wenn ich nach Hause komme, bin ich immer zuerst auch ein wenig ein Fremder, versuche, Momente zu schaffen, an die sie sich später erinnern, an denen sie sich festhalten können, die sie spüren lassen, daß ihr Vater sie liebt - auch wenn ich nichts für sie aufgegeben habe. Manchmal komme ich mir dabei ein wenig hilflos vor, und ich kann nur hoffen, daß meine Kinder mich irgendwann verstehen und mir verzeihen werden.

    Ich gebe dem Fahrer Anweisungen, wie er mein Haus in Vaterstetten am besten erreicht. Gleich sind wir da. Nur noch zwei kleine Kurven und eine Abzweigung … Ich werde rechtzeitig zu Hause sein, um die Kinder noch vor dem Schlafengehen zu sehen, und werde endlich auch wieder einmal die Nachrichten im Fernsehen sehen können.
    »Jetzt hab ich es«, ruft der Taxifahrer plötzlich triumphierend, und ich zucke ein wenig zusammen. »Sie sind doch der, der irgendwas mit ›Siebzehn‹ singt!«
    Ich fühle mich ein wenig unbehaglich und doch auch ein bißchen geschmeichelt und bin vor allem froh, daß das Rätselraten jetzt ein Ende zu haben scheint.
    »Stimmt«, antworte ich bemüht freundlich, und der Taxifahrer beginnt zu singen: »… Mit Siebzehn …« Die letzte Kurve; gleich werde ich aussteigen können. Das Haus kann ich schon sehen.
    »Mit siebzehn fängt doch erst das Leben an, das uns noch soviel geben kann.« Er dreht sich zu mir um und strahlt mich an. »Jetzt hab ich’s: Sie sind der Peter Kraus!«

Die Tagesschau
    Der stürmische Wind schlägt ein Fenster zu. Der späte Winter hat Deutschland noch einmal fest im Griff. Ich hoffe, es wird morgen nicht zu stürmisch sein, um einen Drachen steigen zu lassen.
    Vor mir auf dem Schreibtisch der »Mann mit dem Fagott«, bei dessen Anblick ich mich immer noch wie damals als Kind zu Hause und beschützt fühle.
    Panja bringt die Kinder ins Bett, ich soll ihnen später noch einen Gutenachtkuß geben.
    »Papa, darf ich nicht noch ein bißchen aufbleiben?« hatte Johnny gefragt.
    »Nein, es ist schon spät.«
    »Wie spät?«
    Ich hatte ihn lange angesehen, dann hatte ich die Uhr aus meinem
Schreibtisch geholt. Schwer und vertraut hatte sie in meiner Hand gelegen. Seit ich ein eigenes Haus habe, habe ich sie zu mir geholt. Lächelnd habe ich sie ihm hingehalten. »Puste, Junge.« Und in meiner Phantasie war ich selbst wieder ein Kind gewesen, hatte beinahe den Duft von Ottmanach in der Nase, den ganz eigentümlichen Geruch des alten Gemäuers, den ich bis heute mit Heimat verbinde, und den Duft meines Vaters nach Kölnisch Wasser. Mit leuchtenden Augen hatte Johnny mich angesehen und gepustet. »Fester, das war doch noch gar nichts!« Der Kleine hatte alle Anstrengung in sein Pusten gelegt. Wie von Zauberhand war der Deckel aufgesprungen und hatte die Zeit in satten Tönen und leisem Bimmeln und Summen hörbar gemacht. Staunend hatte Johnny dem Schauspiel gelauscht.
    »Und? Wie spät ist es?« hatte ich gefragt.
    Ratlos hatte Johnny mich angesehen. »Das weiß ich nicht. Ich kann doch die Uhr noch nicht lesen!«
    »Zeit für kleine Jungs, um schlafenzugehen und morgen ausgeruht zu sein«, hatte ich erklärt.
    Johnny hatte sich seufzend gefügt. »Aber du kommst nachher noch mal und gibst mir einen Gutenachtkuß?«
    »Natürlich.«
    Zeit, um mich zu entspannen.
    »Du solltest deinen Onkel Werner mal zurückrufen. Er hat gestern versucht, dich zu erreichen. Und in der Post ist ein Brief von ihm … Und wenn du ihn anrufst, denk daran, er hat heute Hochzeitstag«, ruft Panja mir von oben zu. »Ich hab dir bei der Post wie immer zwei Stapel gemacht: rechts die persönlichen Briefe und links die Autogrammpost.«
    »Ja, danke, ich werde es gleich durchsehen. Meine Anrufe erledige ich morgen. Zur Tagesschauzeit ruft man sowieso niemanden an, und am Hochzeitstag wollen sie sicher ihre Ruhe haben«, rufe ich zurück und werfe einen kurzen Blick auf die beinahe unbewältigbaren Poststapel auf meinem Tisch.
    »Kommst du gleich noch rauf?«

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