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Der Mann mit dem Fagott

Titel: Der Mann mit dem Fagott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Juergens , Michaela Moritz
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Kellner. »Yeah!« Er trocknet im Rhythmus der Musik weiter seine Gläser ab.
    Ich springe auf. »Gitta! Das ist aus der Platte, von der ich dir erzählt habe. ›Songs for Swingin’ Lovers!‹ Hör mal! Ist das nicht einfach phantastisch!?«
    »I’ve got you - under my skin - - I’ve got you - deep in the heart of me - so deep in my heart, that you’re really a part of me - - I’ve got you - under my skin …«, singe ich leise mit, schnippe den Rhythmus mit den Fingern. »Das ist so wunderbar! Und dieses Orchester: Nelson Riddle! Das beste, das es derzeit weltweit gibt! Wie die spielen! Hör mal!« Ich kann mich gar nicht beruhigen, mime die Streicher, das Saxophon, tanze durch die kleine Bar. Gitta schüttelt lächelnd den Kopf, amüsiert über meine fast kindliche Leidenschaft, die Frage »Wird der jemals erwachsen?« in ihrem Blick.
    »Yeah, man«, lacht der Kellner. »You like that kind of stuff!«
    »Mensch! Das einmal live hören zu können. Mit so einem Orchester vielleicht sogar spielen zu können …« Meine Begeisterung kennt keine Grenzen. » Das ist Musik! Dagegen ist alles, was es bei uns auf dem Markt gibt, ein Witz. Etwas, das dem auch nur nahe kommt, hat hier noch keiner produziert.« Ich schwelge.
    »Dann mach’s du doch«, meint Gitta plötzlich nach einer Pause scheinbar zusammenhanglos mitten in die schönste Orchesterstelle des Songs.
    Ich runzle irritiert und ein wenig unkonzentriert die Stirn, bin gerade so schön beim Zuhören, mag mich gar nicht losreißen.
    »Wie meinst du das ›machen‹. - Was soll ich ›machen‹?« gebe ich etwas unwillig zurück, lausche dem knallharten Bläsereinsatz, der wie eine Antwort auf geheime Wünsche genau im richtigen Moment erklingt und, bevor man im Gefühl versinkt, wieder für Klarheit sorgt.
    Gitta sieht mich lange nachdenklich an, sucht offenbar nach den richtigen Worten, hat sich vielleicht ein bißchen zu weit vorgewagt, etwas ausgesprochen, was sie eigentlich an diesem Tag gar nicht mit mir besprechen wollte.
    Sie nimmt meine Hand, wartet, bis ich ihr in einer Musikpause
zuhöre, meint dann ganz ruhig: »Weißt du, ich will ja das, was du in den letzten Jahren gemacht hast, nicht schlechtmachen, wirklich nicht! Und du weißt, welch große Hochachtung ich vor dem habe, was du versuchst, dir aufzubauen. Aber irgendwie … ich weiß auch nicht …« Sie unterbricht sich, setzt dann neu an: »Wenn du live in irgendeinem Club spielst, dann fühle ich etwas ganz Besonderes. Eine Art … eine ganz große Intensität. Ja, ich glaube, das trifft es am besten …«
    Sie macht eine Pause, hält mir fragend eine Zigarettenschachtel hin - »Austria 3«, flachgedrückt, filterlos und so locker gestopft, daß der Tabak aus der billigen Schachtel rieselt, wenn man sie öffnet. Ich winke kopfschüttelnd ab, bin viel zu nervös, um jetzt zu rauchen, möchte wissen, was sie zu sagen hat, beobachte ungeduldig die etwas umständlichen Bewegungen, mit denen sie sich selbst eine nimmt, sie in ihre Zigarettenspitze steckt, die ich ihr zum letzten Geburtstag geschenkt habe - ganz »Dame von Welt«, sie endlich anzündet und einen tiefen Zug nimmt, bis sie endlich weiterspricht:
    »Aber wenn ich mir die Platten anhöre, die du in der letzten Zeit so gemacht hast, mit Nummern, die andere für dich geschrieben haben, mit denen man versucht, den deutschen Markt zu bedienen … Sei mir bitte nicht böse, aber da fühle ich von all dem nicht mehr sehr viel.«
    Sie nimmt einen weiteren Zug von ihrer Zigarette, fällt mir aber sofort ins Wort, als ich zu einer Entgegnung ansetze. Hastig erklärt sie: »Mir ist klar, daß du jedes Engagement und jede Chance, die sich dir bietet, annehmen mußt, schon allein, um dich finanziell über Wasser halten zu können. Aber trotzdem scheint mir das alles irgendwie nicht der richtige Weg zu sein. Du kannst viel mehr, und ich glaube, du solltest jetzt wirklich langsam versuchen, dein Talent über alle Oberflächlichkeiten hinaus zu entwickeln und etwas Eigenes auf die Beine zu stellen. Ich hab ein bißchen das Gefühl, daß du die Dinge seit einiger Zeit ein bißchen zu sehr treiben läßt, keine Weichen stellst. Hauptsache, da ist irgendein Weg, und irgendwohin wird der schon führen …«
    Sie hält inne, versucht das, was sie zu sagen hat, mit soviel Wärme und Ruhe wie möglich zu sagen, um mich nicht zu verletzen.

    Aus dem Radio erklingt »I Like New York in June - How About You«. Anscheinend spielen sie das ganze neue

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