Der Mann mit dem roten Zylinder
hintereinander!“ ruft er flüsternd seinem Bruder zu, dessen Umrisse er nur undeutlich am offenen Fenster erkennen kann.
Ola tritt fest in die Pedale. Nach einer knappen Stunde Fahrt hat er Onkel Sörensons Haus erreicht. Er ist erstaunt, daß er nicht den kleinsten Lichtschein erkennen kann. Fest drückt er auf den Klingelknopf am Gartentor. — Nichts geschieht.
Ola drückt noch ein zweites Mal. Diesmal ein wenig länger.
Da, endlich flammt in einem Zimmer Licht auf. Ein Fenster wird geöffnet, und Ola erkennt Frau Orsi, Onkel Sörensons Haushälterin.
„Wer ist da?“ ruft Frau Orsi verschlafen, während sie mit der rechten Hand krampfhaft ihren langen Zopf festhält.
„Ich bin’s, Ola Olanson, Frau Orsi. Ich muß unbedingt Onkel Sörenson sprechen. Schläft er schon?“
„Da hast du aber Pech, Ola. Der alte Sörenson ist nach Uppsala gefahren. Vor übermorgen abend kommt er gewiß nicht zurück.“
„Das kann doch nicht sein“, flüstert Ola enttäuscht.
„Was willst du denn von ihm?“ will Frau Orsi wissen, doch Ola schüttelt nur den Kopf, was die Frau im Fenster natürlich in der Dunkelheit nicht erkennen kann.
„Vielleicht komme ich in der nächsten Woche noch einmal her. Einen schönen Gruß an Onkel Sörenson.“
Im stillen denkt er: So ein Mist, jetzt bin ich den ganzen Weg umsonst gefahren. Wütend schwingt er sich wieder auf sein Rad, um die Heimfahrt anzutreten.
Er hat keine Ahnung, was ihm heute nacht noch widerfahren soll.
Während er hastig um die nächste Ecke strampelt, schließt Frau Orsi kopfschüttelnd das Fenster.
Kinder sind das, denkt sie dabei. Um diese Zeit noch durch die Gegend zu radeln.
Während Ola Kilometer um Kilometer hinter sich bringt, sitzen Erik Olanson und sein Gehilfe Fredrik noch im Büro in der Kungsgatan.
Erregt geht Olanson in seinem Zimmer auf und ab.
Fredrik dagegen wackelt wie immer, wenn er nervös oder aufgeregt ist, mit den Ohren.
Olanson bleibt plötzlich vor ihm stehen.
„Kannst du deine Löffel nicht mal für ein paar Minuten stillhalten, Fredrik“, fährt er diesen an, und sein Gehilfe ist so erschrocken, daß er tatsächlich für einige Augenblicke das Ohrenwackeln vergißt. „Den ganzen Tag unterwegs. Und was haben wir erreicht? Nichts.“
Olansons Laune scheint nicht die beste zu sein.
Und es stimmt. Den ganzen Tag war er bemüht, eine Spur zu finden. Er hat eine Menge Leute ausgefragt und die Tatorte aufgesucht. Auch Madame Dupont ließ er nicht aus. Aber was sie ihm sagen konnte, war weniger als nichts.
Und wieder schimpft er.
„Nicht der kleinste Lichtblick. Trotz der vielen Anhaltspunkte sind wir keinen Schritt weitergekommen.“
„Vielleicht sollten wir doch die Gäste aus dem ,Royal’ einmal gründlich unter die Lupe nehmen, Chef“, wirft Fredrik vorsichtig ein.
„Das ist viel zu zeitraubend“, winkt Olanson ab. „Schließlich können wir nicht jeden männlichen Hotelgast fragen, ob er zufällig der Mann mit dem roten Zylinder sei.“
„Aber es steht doch fest, daß der Mann im Hotel war, bevor er sich zu Madame Dupont herunterließ“, erwidert Fredrik unbeirrt und wackelt schon wieder mit seinen gewaltigen Ohren.
Olanson verzieht spöttisch die Lippen. „Da er kaum mit einer fliegenden Untertasse in Madames Zimmer gelangt ist, muß er das wohl sein.“
Er schüttelt den Kopf.
„Vergiß nicht, Fredrik, daß die Zimmer, von denen aus er sich mit größter Wahrscheinlichkeit herabgelassen haben wird, an diesem Abend unbewohnt waren. Für jemanden, der Fassaden erklettert, dürfte es auch kein Kunststück sein, ungesehen in das Hotel und die besagten Zimmer zu kommen. Wo ist die Gästeliste?“
Fredrik schiebt seinem Chef die Liste hin. Sie enthält alle Gäste, die an dem bewußten Abend im Parkhotel „Royal“ logierten.
Als Erik Olanson nach der Aufstellung greifen will, klingelt schrill und unangenehm das Telefon.
„Nanu“, wundert sich der Detektiv, „wer ruft denn um diese Zeit noch an…“
Er greift nach dem Hörer.
„Olanson“, meldet er sich.
Fredrik Hake sieht, wie sich auf Olansons Gesicht eine seltsame Spannung bemerkbar macht. Wie sich seine Augenbrauen in größter Konzentration zusammenziehen und wie er mehrere Male vergeblich zu einer Erwiderung ansetzt. Dann hört er Olanson erregt in die Muschel rufen:
„Hallo, wer spricht denn dort eigentlich?“
Fredrik ist zu seinem Chef getreten und sieht ihn neugierig an. Langsam legt Olanson den Hörer auf die Gabel
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