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Der Mann mit dem roten Zylinder

Der Mann mit dem roten Zylinder

Titel: Der Mann mit dem roten Zylinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ecke
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zurück.
    „Merkwürdig“, murmelt er... und noch einmal, „merkwürdig.“
    „Was ist denn so merkwürdig, wenn man fragen darf?“ will Fredrik wissen.
    Olanson schreckt aus seinen Gedanken auf. „Ich soll in drei Minuten unten vor dem Haus stehen“, sagt er dann. Und als er Fredriks verblüfftes Gesicht sieht, klärt er ihn über das Telefongespräch auf. „Es war ein Mann am Apparat. Er sprach mich mit ,Señor’ an. Er verlangte, daß ich in drei Minuten vor dem Haus stehen soll, um einen Brief in Empfang zu nehmen.“
    „Einen Brief?“ echot Fredrik und wackelt stärker als je mit den Ohren.
    „Ein Wagen würde Vorfahren und eine Dame würde mir einen Brief aushändigen. Ist das nicht seltsam?“
    „Und — was machen wir jetzt, Chef? Gehen wir hinunter?“
    „Natürlich gehen wir hinunter. Du gehst mit. Du stellst dich bei Anquist in die Toreinfahrt und versuchst die Nummer des Wagens zu erkennen, der vorfährt.“
    „Mach ich, Chef!“ kräht Fredrik erfreut. „Endlich passiert mal etwas!“ Schon ist er draußen. Olanson hat Mühe, ihm zu folgen, und es hätte nicht viel gefehlt, und Fredrik wäre allein mit dem Fahrstuhl nach unten gefahren.

    Ola hat sich verfahren.
    Und zwar gründlich! Keine einzige Straße, durch die er in den letzten fünf Minuten gefahren ist, hat er je zuvor gesehen. Ihre Namen sind ihm fremd. Wo ist er denn abgezweigt, und wo befindet er sich? Ola spürt, wie es ihm langsam ungemütlich wird. Es ist fast zehn Uhr.
    Seine Augen, die angestrengt suchen, brennen, und seine Hände, die verkrampft die Lenkstange umspannen, sind feucht.
    Autos fahren an ihm vorüber, und des öfteren muß er, von den entgegenkommenden Scheinwerfern geblendet, die Augen schließen.
    Hin und wieder hat er schon erwogen, ob er einen Passanten fragen soll. Doch letzten Endes scheut er die Fragen, die an ihn, den kleinen Jungen, gestellt werden könnten. Vielleicht käme sogar einer auf den Gedanken, nach einem Polizisten zu rufen, weil er Angst hat, der „kleine Junge“ könnte sich wieder verfahren.
    In diesem Augenblick ist Ola in einer Sackgasse gelandet. Ein hohes Eisengitter versperrt den Weg. Es handelt sich um das Eingangstor zum Werftgelände der Firma Fletcher.
    Ola wendet sich um.
    Zu seiner Linken dehnt sich über die gesamte Straßenfront die Fassade eines Verwaltungsgebäudes. Auf der rechten Seite stehen kleine Einfamilienhäuser hinter schmucken Vorgärten.
    Weit und breit ist keine Menschenseele zu sehen.
    Er weiß nicht, was er tun soll. Aber noch schluckt er die aufsteigenden Tränen tapfer hinunter.
    Da plötzlich hört er Schritte, die näher kommen. — Aus dem Dunkel heben sich langsam die Umrisse eines Mannes ab.
    Es ist ein einzelner Mann, der auf ihn zukommt. Mit schnellen Schritten ist er an ihm vorbei. Jetzt ist mir alles egal, durchfährt es Ola. Glücklich, jemanden gefunden zu haben, der ihm Auskunft geben kann, radelt er hinter dem einsamen Fußgänger her.
    Schrill quietscht seine Bremse, als er neben dem Mann sein Rad zum Stehen bringt.
    „Entschuldigen Sie bitte, mein Herr, können Sie mir sagen, wie ich zur Erik Dahlbergsgatan komme?“
    Der Angesprochene ist einen Augenblick stehengeblieben. Fast hat es den Anschein, als sei er über das unerwartete Auftauchen des Jungen erschrocken, denn unauffällig versucht er hinter seinem Rücken etwas zu verstecken.

    Dann schüttelt er den Kopf und setzt wortlos seinen Weg fort. Er wendet sich nicht ein einziges Mal um.
    Ola steht wie erstarrt. Er wagt kaum, Luft zu holen.
    Er, Ola, hat etwas gesehen.
    Er glaubt, etwas gesehen zu haben, das ihm die Sprache verschlagen hat.
    War es nicht ein roter Gegenstand, den der Fremde vor ihm zu verbergen suchte. Und da sich diese Begegnung direkt unter einer Straßenlaterne abspielte, glaubt Ola, daß er sich nicht geirrt hat.
    War es vielleicht sogar der rote Zylinder?
    Der Fremde hat die Straßenecke erreicht. Da, endlich, kommt Leben in Ola. Er hat alles vergessen. Die Angst, nicht mehr heimzufinden. Die Angst vor der unbekannten Gegend und die Angst vor den eventuellen Folgen seines nächtlichen Ausflugs. Ola kennt nur noch ein Ziel: Er muß dem Mann folgen.
    Und während er vorsichtig hinterherradelt, überlegt er, ob es wirklich so viel Zufall und Glück geben kann.
    Sollte er, Ola Olanson, dem Mann mit dem roten Zylinder begegnet sein?
    Oder hat er sich getäuscht? Nein, er weiß, daß es keine Fata Morgana, kein Hirngespinst war.
    Ola hält sich, so gut es geht, im

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