Der Mann mit dem roten Zylinder
nach seinem Partner um. Wieder krächzt Patò:
„Ein kleines Faß würde ausreichen, Hoheit..
Dann stimmt er ein schrilles Kichern an, bei dem die beiden Alten von Grauen geschüttelt zusammenfahren. Man sieht es ihnen an, daß ihre Beine zu zittern beginnen. Bevor einer der beiden noch etwas erwidern kann, meint Patò mit gänzlich veränderter Stimme:
„Vielleicht holen Sie Ihre Kutsche, Hoheit. Wir könnten dann zusammen ins Schloß fahren und gleich mehrere Fässer aufladen...“
Jetzt endlich löst sich die Erstarrung bei dem Pfeifenraucher. Und mit vor Unbehagen klappernden Zähnen nuschelt er voller Eifer heiser:
„Jawohl... Jawohl, mein Herr... Ich... ich... werde meine Ku... Ku... Kutsche holen. Warten Sie hier! Komm, August, wir holen die Kutsche...!“ Niemand hat einen Startschuß abgegeben. Und doch sieht es so aus, als hätten sie nur darauf gewartet. In beängstigender Geschwindigkeit tippeln sie die Straße entlang. Bis zur Ecke wagen sie es nicht, sich auch nur ein einziges Mal umzuwenden. Als sie es dann riskieren, ist von Patò nichts mehr zu sehen.
Sie können nicht ahnen, daß dieser in der Zwischenzeit das Gartentor geöffnet hat und im Augenblick dabei ist, dasselbe Manöver an der Haustür zu wiederholen!
Tiefe Stille umfängt ihn, nachdem er die Haustür wieder geräuschlos geschlossen hat. Sekundenlang bleibt er unbeweglich stehen und lauscht in die Dunkelheit. Doch nicht einmal das Ticken einer Uhr ist zu hören.
Henry Patò macht sich ans Werk.
Systematisch untersucht er mit der ihm eignen Gründlichkeit das Haus.
Nach einer halben Stunde sind Kellerräume und Erdgeschoß durchforscht. Patò begibt sich in das obere Stockwerk.
Und wieder das gleiche.
Abtasten von Kissen, Abklopfen von Wänden nach verborgenen Hohlräumen und Wegrücken von Möbeln. Selbst einen total verstaubten Geigenkasten angelt er vom Schrank und schaut hinein. Aber er enthält tatsächlich nur eine Violine.
Gespenstisch huscht der Strahl seiner Taschenlampe durch die Räume, hüpft über Einrichtungsgegenstände und verweilt auf verdächtig aussehenden Dingen.
Fast zwei Stunden sind inzwischen vergangen. Bis auf einen Zettel, den er dem Papierkorb entnahm, hat Patò noch nichts entdeckt. Er ist gerade dabei, das Feuerungsloch des Kachelofens zu untersuchen, als er zusammenzuckt...
Langsam richtet er sich auf...
War da nicht eben ein Rascheln gewesen? Er schaltet die Taschenlampe aus und geht auf Zehenspitzen in Richtung Tür...
Da, wieder... Sosehr sich der Detektiv auch Mühe gibt, er kann das Geräusch nicht einordnen... War es vielleicht nur eine Maus... Fast klang es auch wie Fingerschnippen... oder wie eine abbrechende Bleistiftmine...
Da die Leuchtkraft der Straßenlaternen nicht bis zum Haus reicht und Patò aus einem unerklärlichen Gefühl heraus seine Lampe nicht wieder anschalten will, muß er sich auf seinen Tastsinn verlassen.
Jetzt stoßen seine Finger auf die geöffnete Tür... Im gleichen Augenblick fühlt Patò, daß er nicht mehr allein im Zimmer ist... Fast körperlich spürt er die Anwesenheit eines Menschen...
Er hält den Atem an, um sich am Atmen des anderen zu orientieren....
Da geschieht es. Geblendet schließt Patò die Augen vor dem plötzlichen grellen Lichtschein, der ihn von einem Handscheinwerfer trifft.
„Guten Abend, Herr Patò…“ Es ist nicht die Stimme Torstens, stellt Patò fest. Doch wer ist es dann? Sollte ihm der starke Akzent in der Stimme des Mannes weiterhelfen?
„Bleiben Sie stehen und bewegen Sie sich nicht!“ befiehlt der Mann mit der Lampe. Patò hat sich die Hand über die Augen gelegt und blinzelt durch die Finger. Doch der Lichtschein ist so intensiv, daß er beim besten Willen nichts erkennen kann.
„Machen Sie wenigstens die Lampe aus, ich bin schließlich kein Denkmal, das man anstrahlen muß“, fordert Patò trocken.
„Tut mir leid“, lehnt der andere ab und zischt dann Patò erregt zu: „Wo haben Sie das gelbe Krokodil?“
Der Detektiv lacht kurz und spöttisch auf. „Daß Sie mich das fragen, habe ich erwartet... Ich mache Ihnen einen Vorschlag, edler Krieger mit der Laterne: Ich habe zwei Stunden danach gesucht, suchen Sie die nächsten beiden Stunden!“
„Das könnte Ihnen so passen. Damit mir der schlau weggelockte Diener in die Quere kommt.“
„Das wäre Ihr Risiko!“ gibt Patò fast heiter zurück und überlegt, ob er den Mann überwältigen soll. Bei den Hunderten von Tricks, die er auf Lager hat, wäre das
Weitere Kostenlose Bücher