Der Mann mit den hundert Namen
konnte, und ließ die Pistole des Toten folgen, die er sich unter den Gürtel geschoben hatte. Und schließlich schleuderte er noch das Mobiltelefon des Killers und drei Patronenhülsen aus der eigenen Waffe in die Fluten. Er starrte vor sich hin, atmete zur Beruhigung ein paarmal durch und rannte zum Haus zurück.
16
Das Dröhnen der Schüsse noch im Ohr verriegelte er die Hintertür. Die Anstrengung hatte die Schmerzen an Seite und Schulter wieder verstärkt. Er fand noch einen Läufer und zerrte ihn ins Büro, wo er ihn über die Blutlache breitete. Dann öffnete er das Fenster, um frische Luft hereinzulassen. Bei der Durchsuchung der Brieftasche des Toten stieß er auf annähernd dreihundert Dollar, einen Führerschein und eine Kreditkarte, beide auf den Namen Charles Duffy aus Philadelphia ausgestellt. Das war wahrscheinlich ein falscher Name. Wenn diese Papiere gut genug für einen Berufskiller waren, dann eigneten sie sich auch für Buchanan. Er steckte die Brieftasche ein – nun besaß er eine neue Identität. Selbst wenn jemand in dieser entlegenen Gegend die Schüsse gehört hatte und Nachforschungen anstellte, würde im Hause alles ganz normal aussehen, bis auf das kleine runde Loch in der Decke, das nur dann Verdacht erregen würde, wenn man die Putzteile auf dem Fußboden liegen sah. Buchanan sammelte sie auf und ließ sie verschwinden.
In aller Eile setzte er sich vor den Computer, sah auf das Dateiverzeichnis, ließ den Cursor von A nach D gleiten und drückte die RETURN-Taste. Während die gewünschten Informationen erschienen, riß er die obere Schublade des Aktenschranks auf und hob die Ordner mit dem Buchstaben D heraus. Um festzustellen, ob vorher einige Akten entnommen worden waren, mußte er die Namen mit jenen auf dem Bildschirm vergleichen. Dabei machte er sich keine großen Hoffnungen. Der Tote hatte zugegeben, ein paar Daten im Computer gelöscht zu haben. Mit großer Wahrscheinlichkeit waren Computerdatei und Handakten identisch; es würde ihm folglich nicht gelingen zu ermitteln, welche Unterlagen fehlten.
Buchanan arbeitete weiter. Für alle Namen in der Datei existierten entsprechende Schnellhefter. Erschöpft lehnte er sich zurück – er hatte nur seine Zeit vergeudet. Es hatte sich nicht gelohnt, hierherzukommen und sein Leben zu riskieren. Er hatte nichts weiter erfahren, als daß jemand entschlossen war, Juana zu töten – und das war ihm nicht neu. Er rieb sich die geschwollenen Augenlider, warf noch einen Blick auf den Bildschirm und wollte ihn abschalten. Doch im letzten Augenblick entschloß er sich weiterzumachen, wie hoffnungslos es auch sein mochte.
Er zog die Hand von der OFF-Taste zurück und wollte gerade etwas eingeben, da rieselte ihm ein Schauer über den Rücken. Seine Augen hatten ihn genarrt, er hatte den Namen DRUMMER mit DRUMMOND verwechselt – und beim ersten Mal angenommen, DRUMMER sei doppelt gespeichert. Er war sicher, keine Akte mit der Aufschrift DRUMMOND gefunden zu haben, aber in seinem Zustand konnte er sich selber nicht mehr trauen. Mit zitternden Händen wühlte er nochmals in dem Aktenfach – nichts über einen Drummond. Unglaublich, dachte er. Auch der Killer hat sich offenbar durch die Ähnlichkeit der Namen Drummer und Drummond täuschen lassen.
Buchanan wollte nun die Datei DRUMMOND auf den Bildschirm holen, doch zu seiner Enttäuschung blieb er leer. Vermutlich hatte der Killer den Text eliminiert, danach aber vergessen, den Namen im Dateiverzeichnis zu löschen.
Unter dem Buchstaben T fiel Buchanan eine beträchtliche Zahl spanischer Namen auf, darunter ein TOMEZ, zu dem es ebenfalls keine Akte gab. Ein Zufall? Wohl kaum, denn auch diesmal blieb der Bildschirm leer, als er die Datei aufrief.
Fluchend schaltete er den Computer aus und überlegte, was er in diesem Haus noch tun konnte, um Juanas Geheimnissen auf die Spur zu kommen. Das Zimmer fiel ihm ein, das der Killer abgesperrt gefunden hatte. Warum war ihm dieser Raum unheimlich vorgekommen? Was hatte er gemeint, als er sagte: »Zuerst habe ich gedacht, es sind Körperteile«?
17
Buchanan verließ das Büro und ging durch den kurzen Flur zum nächsten Zimmer auf der linken Seite. Die Tür stand offen, es brannte kein Licht, so daß nicht zu erkennen war, was sich darin befand. Er tastete an der Wand nach einem Lichtschalter. Als die Deckenlampe aufleuchtete, kniff er die Augen zu, wegen der Helligkeit und des bestürzenden Anblicks, der sich bot.
Er begriff, warum der
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