Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann mit den hundert Namen

Der Mann mit den hundert Namen

Titel: Der Mann mit den hundert Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Morrell
Vom Netzwerk:
Fieber geschüttelt, in einem Blockhaus, das die Arbeiter kurz nach ihrer Ankunft auf dem Gelände errichtet hatten. Damals bedeckten noch dichtstehende Bäume und Buschwerk die Ruinen.
    McIntyre mußte seine ganze Kraft zusammennehmen, um sich mit dem gesunden Arm den Schweiß von der Stirn zu wischen. Er wünschte aus tiefster Seele, daß er sich nie auf diesen Vertrag mit Alistair Drummond eingelassen hätte. Er hatte dem beträchtlichen Honorar und dem ebenso großzügigen Bonus nicht widerstehen können, den Drummond versprochen hatte, wenn das Projekt erfolgreich zu Ende geführt sei. McIntyre hatte in vielen Ländern der Erde gearbeitet, weil er den Drang verspürte, die Wildnis zu bändigen und Ordnung anstelle von Chaos zu setzen. Dieser verrückte Auftrag jedoch hatte ihn gezwungen, Ordnung zu zerstören und Chaos zu schaffen. Dafür wurde er nun bestraft.
    Selbst die Erde schien erzürnt über das abscheuliche Vorgehen von McIntyre und seinen Bautrupps. Vielleicht war es auch der Zorn der Götter, zu deren Ehre die Tempel einst erbaut worden waren. Ein ungewöhnlicher Gedanke für mich, dachte McIntyre, denn er war nie religiös gewesen.
    Zerstört die Ruinen, macht sie dem Erdboden gleich, hatte Drummond befohlen. Und mit jeder Sprengung und jedem knirschenden Biß eines Bulldozers, mit jedem hieroglyphenbedeckten Steinquader, der in eine Grube geworfen wurde, hatten die Erde und die Götter der Unterwelt protestiert. Regelmäßig wiederkehrende Beben hatten das Lager durchgerüttelt, und sie wurden von einer weiteren Heimsuchung begleitet: Unzählige Schlangen krochen aus Löchern und Rissen in der Erde, wie eine Seuche breiteten sie sich aus und konnten nur bekämpft werden, indem man sie mit Kerosin übergoß und verbrannte. McIntyre hatte es selbst angeordnet – und die Schlangen hatten sich gerächt.
    Als er am Tag zuvor, kurz nach Sonnenaufgang, einen Schraubenschlüssel aus einem Werkzeugkasten holen wollte, verspürte er plötzlich einen zuerst stechenden, dann brennenden Schmerz am rechten Handgelenk. Er sah gerade noch eine kaum dreißig Zentimeter lange Schlange aus dem Kasten gleiten und in einem Stapel von Brettern und Bohlen verschwinden. In Panik lief er zum Sanitätszelt hinüber. Der Arzt des Camps, ein unrasierter Kerl, der ständig eine Zigarette im Mund und eine Whiskeyfahne hatte, spritzte ein Gegengift und desinfizierte die Bißwunde. Dabei wiederholte er immerfort, McIntyre habe großes Glück gehabt, daß die Fangzähne nicht größere Blutgefäße getroffen hätten.
    McIntyre zitterte trotzdem vor Angst und Schmerzen. Selbst wenn er das richtige Gegenmittel bekommen hatte, brauchte er dringend Behandlung in einem Krankenhaus. Das nächste größere Hospital befand sich in Campeche, fast zweihundertfünfzig Kilometer entfernt. Bisher war noch keine Straße durch den Dschungel gelegt worden, auf der Fahrzeuge die Ruinenstadt verlassen konnten. Die einzige Möglichkeit, McIntyre noch rechtzeitig nach Campeche zu bringen, war mit dem Hubschrauber. Doch zwei der Helikopter waren nach Vera Cruz geflogen, um Versorgungsgüter heranzuschaffen, und wurden erst in zwölf Stunden zurückerwartet. Der dritte stand defekt im Lager und mußte erst repariert werden.
    McIntyre verschwamm alles vor den Augen, und er nahm Geräusche nur noch gedämpft wahr. Das Brüllen der Bulldozer, die Detonation der Sprengungen und das Getöse der Bohrhämmer schienen von weither zu kommen und nicht aus den Ruinen direkt vor seinem Büro. Der einzige Laut, auf den er verzweifelt hoffte, war das Knattern eines Hubschraubers. Bisher vergebens. Wenn nicht bald der im Lager stehende Chopper repariert wurde oder die anderen zurückkehrten, würde er sterben. Dabei hatte Alistair Drummond unter anderem angemessene ärztliche Betreuung garantiert. Da er dieses Versprechen nicht gehalten hatte, würden wahrscheinlich all die anderen Zusagen – etwa in bezug auf Bonus oder Honorar – auch nicht erfüllt werden.
    Dieser Verdacht war den anderen Beschäftigten noch nicht gekommen. Sie setzten nur alles dran, so schnell wie möglich von hier fortzukommen, und rückten dem Dschungel und den Ruinen deshalb mit Berserkerwut zu Leibe. Nichts gebot ihrem Eifer Einhalt, weder die Erdstöße noch die Schlangen und schon gar nicht McIntyres drohender Tod. Hartnäckig waren sie geblieben, trotz aller Versuche der Indianer, sie zu vertreiben. Die Arbeiter hatten die Eingeborenen gejagt und jeden Gefangenen getötet. Die Leichen

Weitere Kostenlose Bücher