Der Mann mit den hundert Namen
verschwunden.«
»Zwei?«
»Nicht Maria Tomez, sondern Juana hat sich vor einigen Wochen davongemacht. Drummond überschlägt sich fast, sie wiederzufinden. Warum? Wenn ich nicht irre, hat Maria Tomez Drummonds Jacht vor einem Dreivierteljahr nie verlassen. Es war Juana, und Drummond will die Vertauschung geheimhalten.«
Hollys Hände verkrampften sich am Lenkrad. »Was hat sich bloß auf dieser Jacht abgespielt?«
8
Zum La Guardia Airport waren sie mit Hollys Wagen und nicht mit dem Taxi gefahren, denn es wäre aufgefallen, wenn sie ihn für unbestimmte Zeit in der Garage des Dorset Hotels abgestellt hätten. Im Parkgeschoß des Terminals hingegen war dies nichts Ungewöhnliches.
Sie hatten sich sehr beeilen müssen. Es war ihnen gelungen, zwei Tickets für die letzte Maschine nach Miami zu buchen, und so erreichten sie den Flugsteig gerade noch zur rechten Zeit. Während des Flugs schliefen sie vor Aufregung nicht und aßen, obwohl sie keinen Appetit verspürten, die von der Stewardeß servierte Lasagne.
Kurz vor der Fahrt zum Flughafen hatte Buchanan telefonisch Erkundigungen über Drummonds Jacht eingeholt und von der Vereinigung der Schiffsversicherer in Long Beach erfahren, daß sie zur Zeit bei Key West vor Anker lag.
9
Key West, Florida
Mitternacht war schon vorbei, als Buchanan und Holly in Miami eintrafen. Mit Charles Duffys Kreditkarte mieteten sie einen Wagen und machten sich auf den Weg nach Key West, fast zweihundertfünfzig Kilometer über die Florida Keys nach Südwesten. Sie hielten mehrmals an, um sich Kaffee zu kaufen, und lösten sich beim Fahren ab, damit einer immer etwas ruhen konnte.
Kurz vor Morgengrauen erreichten sie ihr Ziel, die südlichste Siedlung des nordamerikanischen Kontinents, die Insel Key West. Nur sechseinhalb Kilometer lang und zweieinhalb Kilometer breit, galt sie als eines der letzten Zentren der Gegenkultur in den USA. Atmosphäre und Architektur der Stadt waren eine exotische Mischung von Einflüssen Westindiens, Kubas und der Bahamas. Doch all das interessierte Buchanan nicht. Nachdem sie in einem billigen Motel ein paar Stunden Schlaf gefunden hatten, aßen sie etwas und widmeten sich ihrer Aufgabe. Sie bummelten eine Stunde lang durch den geschäftigen Hafen und nutzten dabei jede Gelegenheit, Straßenhändlern und Fischern scheinbar nebensächliche Fragen zu stellen. Bald standen sie am Kai an ein Geländer gelehnt, atmeten die feuchte, würzige Meerluft und beobachteten ihr Ziel.
Drummonds Jacht, die sich schneeweiß gegen das Blaugrün des Golfs von Mexiko abhob, lag in etwa hundert Meter Entfernung vor Anker. Ihr schnittiges Profil mutete Buchanan bedrohlich an, wie die gebogene Klinge eines scharfen Jagdmessers. Das weite Sonnendeck am Heck, das von den Fenstern der oberen Decks gut zu überblicken war, erinnerte ihn an Schickeria und Exhibitionisten.
Andererseits kam ihm die Jacht trotz ihres Glanzes wie in ein schwarzes, unheilverkündendes Tuch gehüllt vor.
»Manchmal, wenn du in Gedanken versunken bist, verändert sich der Ausdruck deiner Augen und deines Gesichts«, sagte Holly. »Dann siehst du wie ein Fremder aus.«
»Inwiefern?«
»So ernst, so bekümmert?«
»Damit wir uns richtig verstehen, das hat nichts mit Maria Tomez zu tun«, antwortete Buchanan. »Ich will wissen, was mit ihr geschehen ist, das stimmt, aber vor allem will ich wissen, was aus Juana geworden ist.« Er riß sich vom Anblick der Jacht los und sah Holly an, die seinen Blick verwirrt erwiderte. »Vieles davon verstehe ich selber nicht. Zum Beispiel meine Gefühle für dich. Erst muß ich die Vergangenheit bewältigen, bevor ich mich auf die Zukunft einlasse. Wenn das hier alles vorbei ist, können wir beide über unsere Beziehung sprechen.«
Der Wind blies Holly durchs Haar. Sie dachte über seine Worte nach und nickte. »Ich habe nicht angenommen, daß es etwas Dauerhaftes wird. Es war nicht geplant, ich habe mich hinreißen lassen. Wir sind einer Meinung. Eins nach dem anderen. Was unternehmen wir, wenn wir die Jacht gefunden haben?«
»Du hast mitgekriegt, wie ich mit den Fischern und Straßenhändlern gesprochen habe, lockere Gespräche mit einigen gezielten Fragen. ›Abschöpfen‹ wird diese Technik genannt. Der Unterschied zu einem Interview besteht darin, daß die von dir Befragten meist wissen, worum es geht, in meinem Fall dürfen sie es nicht merken.«
Holly hörte aufmerksam zu. Er erzählte ihr von seiner Ausbildung, während der er diese
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