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Der Mann mit den hundert Namen

Der Mann mit den hundert Namen

Titel: Der Mann mit den hundert Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Morrell
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nicht folgen konnte.
    »Alto! Halt!«
    Buchanan lief schneller, weiterhin geduckt.
    »Alto!«
    Buchanan rannte weiter, so schnell er konnte.
    »He, was fällt euch ein? Ich habe nichts damit zu tun«, wehrte sich Big Bob Bailey mit der Entrüstung des Betrunkenen.
    Die Polizisten hatten einfach den ersten besten festgenommen, der ihnen über den Weg lief.
    Trotz der Schmerzen und seiner verzweifelten Lage mußte Buchanan grinsen. Großartig, Bailey, dachte er, schließlich bist du doch noch zu etwas zu gebrauchen.

Drittes Kapitel
     
    1
     
    Baltimore, Maryland
     
    Die wie eine Stadtstreicherin gekleidete Frau schob erschöpft einen quietschenden Wagen durch eine dunkle, feuchte Gasse im Stadtzentrum. Seit fast zwei Tagen hatte sie nicht geschlafen und davor schon längere Zeit in ständiger Angst gelebt. Genau genommen, seitdem sie Alistair Drummond begegnet und auf seinen Vorschlag eingegangen war.
    Dabei hatte sich der Auftrag so einfach angehört. Immerhin, das Honorar war beträchtlich, die Wohnung komfortabel, und sie brauchte selten aufzutreten. Meist saß sie bloß in der in Manhattan gelegenen Eigentumswohnung mit herrlicher Aussicht auf den Central Park herum und ließ sich von Bediensteten verwöhnen. Ab und zu nahm sie gnädig einen Telefonanruf entgegen, faßte sich dabei aber kurz und täuschte Halsschmerzen vor. Angeblich hatte ihr Arzt Polypen diagnostiziert und von der Notwendigkeit einer Operation gesprochen. Sie ging selten aus und nur bei Nacht, stets per Limousine, mit Schmuck behängt, in Pelz und einem teuren Abendkleid und stets von gutaussehenden Beschützern begleitet. Diese Ausflüge galten im allgemeinen der Metropolitan Opera oder einer Benefizveranstaltung, wo sie gerade lange genug ausharrte, daß ihre Anwesenheit zur Kenntnis genommen und in der Gesellschaftsspalte erwähnt wurde. Sie lehnte jeglichen Kontakt mit früheren Freunden oder ihrem Ehemann ab. Sie stand – so deutete sie in einem der wenigen Zeitschrifteninterviews an – am Anfang einer Periode der Selbstprüfung und suchte die Abgeschiedenheit, um sich auf den zweiten Akt in ihrem Leben vorzubereiten … Es war eine ihrer besten Rolleninterpretationen. Niemand hielt ihr Benehmen für ungewöhnlich, denn geniale Menschen neigen nun einmal zum Exzentrischen.
    Aber sie verspürte Angst, und diese hatte sich allmählich gesteigert. Zunächst hatte sie ihr Unbehagen dem Lampenfieber zugeschrieben, der Anpassung an eine neue Rolle und der Aufgabe, ein ihr unbekanntes Publikum zu überzeugen und natürlich Alistair Drummond zufriedenzustellen. Der nervte sie ganz besonders. Sein Blick war so bohrend, daß sie den Verdacht hegte, die Brille sollte nicht etwa sein Sehvermögen verbessern, sondern das kalte Glitzern der Augen noch verstärken. Niemand kannte mit Sicherheit sein Alter; man war sich nur einig, daß er die Achtzig überschritten hatte, obgleich er eher wie ein runderneuerter Sechzigjähriger aussah. Zahlreiche Faceliftings, verbunden mit einer makrobiotischen Diät, hohen Vitamindosen und wöchentlichen Hormoninfusionen schienen die Anzeichen fortschreitenden Alters zum Stillstand gebracht zu haben.
    Er ließ sich gern mit Professor anreden, obwohl er nie gelehrt und den Doktortitel nur ehrenhalber erhalten hatte, als Dank für ein neues Kunstmuseum, das er für eine in finanzielle Schwierigkeiten geratene Elite-Universität hatte bauen lassen und das seinen Namen trug. Eine der vertraglichen Bedingungen war, daß sie jederzeit für den Professor zu sprechen war und sichmit ihm in der Öffentlichkeit zeigte, wann immer er es verlangte. Ebenso eitel wie reich, meckerte er amüsiert, sooft er seinen Namen neben ihrem in den Gesellschaftsspalten las, vor allem dann, wenn der Zeitungsschreiber ihn als Professor betitelte.
    So furchteinflößend sie Alistair Drummond fand, noch beängstigender war sein persönlicher Assistent, ein blonder, gutgekleideter Mann, den sie nur als Raymond kannte. Sein Gesicht zeigte stets den gleichen Ausdruck, ein fröhliches Grinsen, gleichgültig, ob er Drummond bei der Hormoninfusion behilflich war oder sie in einem tief ausgeschnittenen Abendkleid musterte. In ihrer Gegenwart achtete Drummond strikt darauf, nie über geschäftliche Einzelheiten zu sprechen; für sie stand jedoch fest, daß jemand, der soviel Reichtum und Macht angehäuft hatte, logischerweise rücksichtslos sein mußte. In ihrer Vorstellung waren deshalb die Sonderaufträge, die Raymond bekam, stets anrüchig und

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