Der Mann mit den hundert Namen
…«
»Worauf wollen Sie hinaus?«
»Ich schlage vor, ihm eine Wahrheitsdroge zu verabreichen und ihn dann nach der Postkarte zu fragen«, sagte Alan.
»Nein.«
»Aber …«
»Nein«, wiederholte der Colonel. »Er ist mein Agent, und ich weiß, wie er auf ein Verhör unter Drogen reagieren würde. Er würde sich herausgefordert fühlen, beleidigt, verraten. Erst dann hätten wir ein Problem.«
»Dann bestehe ich darauf, ihn wenigstens zu überwachen. Etwas an ihm stört mich. Und die Postkarte beunruhigt mich am meisten.«
»Ihn überwachen?« Der Colonel deutete auf den Monitor, der Buchanan zeigte, wie er, das Glas an die Schläfe gepreßt, noch immer auf dem Sofa saß. »Wir lassen ihn keine Sekunde mehr allein. Aber damit ist das Problem nicht gelöst.«
8
Buchanan hatte am Abend zuvor nicht bemerkt, daß der korpulente Mann ihn während der Befragung mit seinem richtigen Namen anredete. Kaum wurde er darauf hingewiesen, machte ihn sein Name plötzlich befangen. Er war ein so guter Imitator, daß er in den vergangenen acht Jahren sich selten als Buchanan gefühlt hatte. Das wäre mit den verschiedenen Personen, die er darstellte, unvereinbar gewesen. Er gab nicht bloß vor, jemand anders zu sein. Er war der andere, und er mußte es sein. Der kleinste Fehler bei der Imitation konnte seinen Tod bedeuten. Den Namen Buchanan hatte er so gründlich aus seinem Bewußtsein verbannt, daß er sich nicht umgedreht hätte, wenn ihn jemand hinter ihm unerwartet gerufen hätte.
Als Alan ihn zum CT-Test fuhr, krümmte sich Buchanan jedesmal innerlich, wenn sein Begleiter ihn mit seinem wahren Namen anredete. Und es geschah offensichtlich mit Absicht. Er fühlte sich bloßgestellt, bedroht. Nenn mich nicht so, verdammt noch mal. Wenn gewisse Leute herauskriegen, wer ich wirklich bin, ist es aus mit mir, dachte er.
In der Privatklinik, die vermutlich seiner Behörde angeschlossen war, wurde er abermals nervös, denn der für ihn zuständige Arzt nannte ihn ständig Buchanan.
Verdammt, sie haben sich nicht mal die Mühe gemacht, mich hier unter irgendeinem Allerweltsnamen anzumelden.
Dazu wären keine Dokumente nötig gewesen. Mr. John Smith oder Robert Richardson hätte für die ärztliche Untersuchung genügt. Aber auf dem Befund, den der Arzt in der Hand hält, steht mein richtiger Name. Ich verstehe, daß sie das Pseudonym Don Colton schützen wollen. Das hätte ich gar nicht zu benutzen brauchen, ich hätte mich irgendwie anders nennen können. So aber ist mein Name mit der CT verknüpft, und jeder, der die Unterlagen vergleicht, kann mich mit Victor Grants CT in Verbindung bringen.
»Eine gute Nachricht. Die Quetschung ist beträchtlich zurückgegangen, Mr. Buchanan«, sagte der Arzt. »Es gibt keine Anzeichen für einen neurologischen Schaden. Das Zittern in der rechten Hand hat aufgehört. Ich führe dieses frühere Symptom auf Ihre verletzte Schulter zurück.«
»Und die Kopfschmerzen?«
»Nach einer Gehirnerschütterung können die Kopfschmerzen geraume Zeit andauern. Darüber würde ich mir keine Gedanken machen.«
»Logisch. Ist ja auch nicht Ihr Kopf.«
Der Arzt überhörte den Versuch zu scherzen. »Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen etwas dagegen verschreiben.«
»Ein Medikament mit der Aufschrift ›Bei Einnahme dieses Präparats nicht Auto fahren und körperliche Anstrengungen vermeiden‹?«
»Ja, genau.«
»Nein, danke. Da bleibe ich lieber bei Aspirin.«
»Wie Sie wollen. Kommen Sie in einer Woche wieder, falls Sie dann noch Schwierigkeiten haben.«
Schwierigkeiten? dachte Buchanan. Meine Schwierigkeiten kannst du nicht lösen.
9
»Würden Sie mir verraten, was hier gespielt wird?« fragte Buchanan auf der Rückfahrt von der Klinik. Es war ein grauer Tag im späten Oktober, Sprühregen besprenkelte die Windschutzscheibe.
Alan blickte kurz zu ihm hinüber und konzentrierte sich sofort Bieder auf den Verkehr. Er schaltete die Scheibenwischer ein. »Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
»Warum wurde meine Tarnung aufgehoben?«
Der Nieselregen ging in einen Wolkenbruch über. Alan setzte die Scheibenwischer des Heckfensters in Bewegung. »Aufgehoben? Wie kommen Sie denn darauf?«
Buchanan musterte ihn kühl.
Alan schaltete die Scheinwerfer ein.
»Bald gibt es nichts mehr, woran Sie herumfummeln können, um meinen Fragen auszuweichen. Was wollen Sie noch machen? Das Radio anstellen und die Sender durchprobieren oder an den Straßenrand fahren und das Öl wechseln?«
»Was reden
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