Der Mann mit der dunklen Maske
kein Untier. Er benimmt sich nur manchmal so. Es ist schon komisch, Sir Tristan, aber vielleicht haben Sie uns einen Gefallen getan, als Sie über diese drei Meter hohe Mauer
gefallen
sind.“
„Ich werde Camie niemals irgendeiner Gefahr aussetzen.“
„Sie ist eine Schönheit, Sir Tristan. Mit Herz und Seele und Kraft. Würde es bedeuten, sie einer Gefahr auszusetzen, wenn man sie schön gekleidet und am Arm eines der mächtigsten Männer des Landes an einem Ball teilnehmen lässt?“
„Macht und Reichtum sind egal, wenn der Mann ein Monster ist.“
„Der Schein kann trügen.“
„Aber er brüllt wie ein Tiger.“
Wieder lächelte Mrs. Prior. Und dann begann sie ihn zu seiner Verblüffung geradezu anzuflehen. „Geben Sie mir ein paar Tage. Nur ein paar Tage.“
Er musterte sie mit zusammengezogenen Augenbrauen.
„Ich schwöre Ihnen, ich würde eher sterben, als dieses Mädchen einer Gefahr auszusetzen“, beteuerte die Frau.
Ihr zarter Duft wehte zu ihm herüber. Sie hielt seinen Blick fest.
„Also … Camille wird hierher zurückkehren?“ vergewisserte er sich noch einmal vorsichtig. „Was ist mit meinem Diener, Ralph? Wird er in irgendeinem mittelalterlichen Kerker auf dem Gelände festgehalten?“
„Sein Sie nicht albern.“
„Es gibt keinen mittelalterlichen Kerker?“
„Natürlich gibt es einen Kerker. Dies ist ein sehr altes Schloss, aber wir halten Ihren Mann dort nicht fest. Ich glaube, es geht ihm durchaus gut. Er erledigt ein paar Arbeiten zusammen mit den anderen Männern des Grafen.“
„Zwangsarbeit?“
„Nein, Sir Tristan, wir haben nicht die Peitschen und die Ketten herausgeholt! Was wir jetzt brauchen, ist Zeit. Ein paar Tage Zeit.“
„Ein paar Tage“, sagte er vorsichtig.
Sie erhob sich. „Ich werde Ihnen ein Bad bereiten lassen und ein Mädchen schicken, das Sie rasiert. Irgendwo habe ich auch bestimmt ein paar saubere Sachen für Sie. Sie sind ein großer Mann, schlank, ganz ähnlich wie Lord Stirlings Vater. Und Sie müssen ja am Verhungern sein.“
„Wenn Sie das sagen, ist es sicher richtig.“
Sie lächelte ihm zu. Dann ging sie zur Tür.
Tristan verschränkte seine Hände hinter dem Kopf und lehnte sich zurück. Zuerst war er als Dieb vor den Earl gezerrt worden. Und jetzt bat man ihn inständig zu bleiben. Er konnte nicht anders, er musste schmunzeln.
„Mrs. Prior?“
Sie wandte sich noch einmal um.
„Kann ich Wünsche äußern, was das Essen betrifft?“
„Braten oder Fisch?“
„Hm … ein bisschen von beidem?“
Sie legte den Kopf schräg. „Wie Sie wünschen.“
Sie entschwand mit raschelnden Röcken. Ein breites Grinsen überzog sein Gesicht. Doch dann wurde er schnell wieder ernst. Es gab da ein Märchen der Gebrüder Grimm über eine Hexe, die auch sehr freundlich und großzügig zu Hänsel und Gretel war, weil sie die Kinder als Festtagsbraten mästen wollte.
Lord Wimbly bestand darauf, dass Brian mit ihm in seinem Herrenclub speiste. Schon der verstorbene Lord Stirling hatte den Club regelmäßig besucht, und Brian hatte seine Mitgliedschaft aufrechterhalten. Aber weil er jedes Mal seinen Vater vor sich sah, wie er in dem edlen Ledersessel saß, war er dem Club nach dem Tod seiner Eltern fern geblieben.
Zu viel Zeit war seitdem schon vergangen. Und seit Evelyn ihn angetrieben hatte und Camille ihm in den Schoß gefallen war, wusste er, dass es an der Zeit war, sein Anliegen wieder an die Öffentlichkeit zu tragen.
Alte Freunde begrüßten ihn, Bekannte, Kellner und Manager des Clubs. Alle, die auch seinen Vater gekannt hatten. Einige starrten auf seine Maske. Andere versuchten so zu tun, als sähen sie sie nicht. Ein paar alte Soldaten mit Narben und manchmal fehlenden Gliedmaßen waren sofort voller Mitgefühl. Der eine oder andere Herr riet ihm wie Wimbly, eine etwas weniger Furcht einflößende Verkleidung zu wählen, weil er nur noch das Biest genannt wurde.
Freundlich erklärte er ihnen, dass er sich ihre Vorschläge zu Herzen nehmen würde. Dass er aber auch zugeben müsse, seine Einsamkeit sehr genossen zu haben.
„Pah!“ winkte Viscount Ledger ab. Er war ein alter Kavallerieoffizier. „Es ist die moderne Welt, die wir bei den Hörnern packen müssen! Niemals hat England über ein ruhmreicheres Imperium geherrscht. Sie, guter Freund, verbringen Ihre Tage damit, in der Vergangenheit zu wühlen. Ich weiß, dass Sie ein treuer Diener Ihrer Majestät der Queen sind. Sie spricht so gut von Ihnen und winkt sofort ab, wenn
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