Der Mann mit der dunklen Maske
Camille schwer, sich zu konzentrieren.
Die Zeichen und Symbole schienen vor ihren Augen zu verschmelzen, während sie darauf starrte. Es war ihr nicht gelungen, den Text im Zusammenhang zu übersetzen, aber es schien, dass die Warnung etwas über den Fluch enthielt, der nicht nur jene treffen sollte, die in das Grab eindrangen und schändeten, sondern auch ihre Nachkommen. Überraschend war das nicht, denn das Biest von Schloss Carlyle hatte ja auch den Ruf, verflucht zu sein.
Sie brauchte eine Pause. Camille verließ ihren kleinen Arbeitsraum und sah hinüber zu Sir Johns Schreibtisch. Sie wollte ihn fragen, ob sie eine Tasse Tee trinken gehen durfte, um ihre Nerven etwas zu beruhigen. Aber Sir John war nicht da.
Ruhelos lief sie durch das Büro und setzte sich an seinen Schreibtisch. Die oberste Schublade stand offen. Als sie versuchte, sie zu schließen, merkte sie, dass sie klemmte. Sie kämpfte mit ihr und es gelang ihr, sie ganz aufzuziehen. Gerade wollte sie sie wieder schließen, da fiel ihr Blick auf den Zeitungsausschnitt, der oben auf den Stiften, Zetteln und anderen Arbeitsutensilien lag.
Es war die Titelseite der
Times
von vor etwas mehr als einem Jahr. Und die Überschrift war ziemlich provokativ.
FLUCH AUS DEM GRAB KOSTET LEBEN IN DER LONDONER GESELLSCHAFT
Unter der Überschrift war ein Foto. Es war ziemlich grobkörnig. Doch Camille erkannte die Frau auf dem Bild. Es war Lady Abigail Stirling. Der Mann an ihrer Seite, der verstorbene Lord Stirling, wirkte groß und beeindruckend mit einem fein gemeißelten Gesicht. Sie standen am Rande einer Ausgrabungsstätte. Beide lächelten strahlend. Der Lord hatte einen Arm um die Schulter seiner Frau gelegt. Sie trug eine leichte Bluse und einen langen Rock, während er ein Tweedjackett anhatte. Um sie herum standen noch andere Personen, ägyptische Arbeiter und europäische Kollegen.
Camille durchstöberte Sir Johns Schublade auf der Suche nach seinem Vergrößerungsglas. Dann betrachtete sie das Bild noch einmal genauer. Auf einer Platte aus ägyptischem Marmor saß Mrs. Prior. An ihrer Seite stand Lord Wimbly, der sich gerade eine Augenbraue glättete. Zwei Männer befanden sich nahe am Eingang zu dem Grab. Sie trugen gerade Artefakte hinaus, die dann sorgfältig für den Transport verpackt werden würden. Es waren Hunter und Alex. Im Eingang zum Grab stand Sir John. Dann erkannte Camille auch, dass es Aubrey Sizemore war, der im Hintergrund die ägyptischen Arbeiter beaufsichtigte, die einen Sarg den Hügel hinauftrugen.
Unter dem Bild stand eine weitere Zeile:
Vom Jubel zur Tragödie. Lord und Lady fallen ägyptischen Kobras zum Opfer. Selbst die Queen trauert, während der Tod aus dem Grab nach den Lebenden greift
.
Camille hätte gern den ganzen Artikel gelesen, aber sie hörte jemanden kommen. Sie konnte es nicht riskieren, dabei erwischt zu werden, wie sie in Sir Johns Schreibtisch herumwühlte. Schnell legte sie den Artikel zurück, schloss die Schublade, legte das Vergrößerungsglas an seinen Platz zurück und sprang auf die Füße.
Ihr Herz hämmerte, obwohl sie nicht so genau wusste, warum. Was sie getan hatte, war nicht so furchtbar. Sie hatte eine Schublade zurechtgerückt. Sie hatte einen Artikel gesehen und begonnen, ihn zu lesen.
Sie John kam herein. Er schien in Gedanken zu sein, aber er runzelte die Stirn, als er sie neben seinem Schreibtisch stehen sah.
„Stimmt etwas nicht, Camille?“ erkundigte er sich. Die unausgesprochene Frage dahinter war natürlich: Warum arbeiten Sie nicht?
„Es tut mir Leid, Sir John. Ich bin gut vorangekommen, aber ich bin ein wenig müde. Ich wollte nur schnell eine Tasse Tee trinken. Ich werde dafür auch keine Mittagspause machen. Sie waren so freundlich, Lord Stirling zuzustimmen, dass ich früher gehe, um die Schneiderinnen zu treffen.“
Zu ihrer Überraschung winkte Sir John ab. „Und wenn Sie den ganzen Tag nicht hereinkommen würden, meine Liebe, wäre auch das absolut in Ordnung. Sie haben uns in kürzester Zeit einen unschätzbaren Dienst erwiesen. Gehen Sie nur, und trinken Sie einen Tee. Ihre Arbeit kann warten.“
„Vielen Dank. Ich beabsichtige aber nicht, meine Verantwortung in irgendeiner Weise zu vernachlässigen!“
„Selbst ich brauche gelegentlich eine Tasse Tee. Oder einen Whisky. Um einen klaren Kopf zu bekommen.“ Als ginge es ihm gerade jetzt so, schüttelte er den Kopf. „Tee, ja. Und nehmen Sie sich alle Zeit, die Sie brauchen.“
Mit diesem Segen nahm Camille
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