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Der Mann mit der Ledertasche.

Der Mann mit der Ledertasche.

Titel: Der Mann mit der Ledertasche. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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sprang an die Tür. Drei Se- kunden.
ZACK!
Der Vogel war weg.
Picasso und ich nahmen den leeren Käfig und gingen ins Haus zurück.
    Ich schlief gut, zum ersten Mal seit Wochen. Ich vergaß sogar, den Wecker zu stellen. Ich ritt auf einem weißen Pferd den Broadway in New York entlang. Ich war eben zum Bürgermeister gewählt worden. Ich hatte einen ge- waltigen Steifen, und dann warf jemand einen Batzen Dreck nach mir... und Joyce rüttelte mich.
    »Was ist mit den Vögeln passiert?«

    »Zum Teufel mit den Vögeln! Ich bin Bürgermeister von New York!«
    »Was mit den Vögeln ist, will ich wissen! Das einzige, was ich finden kann, ist ein leerer Käfig!«
»Vögel? Vögel? Was für Vögel denn?«
»Wach endlich auf, verdammt noch mal!«
»Gab's Schwierigkeiten im Büro? Du scheinst schlecht auf- gelegt.«
»WO SIND DIE VÖGEL?«
»Du hast doch gesagt, ich soll sie hinauslassen, wenn ich ihretwegen nicht schlafen kann.«
»Ich hab doch gemeint, du sollst den Käfig auf die Ve- randa oder in den Hinterhof stellen, du Schwachkopf!«
»Schwachkopf?«
»Jawohl, du Schwachkopf! Willst du mir sagen, du hast die Vögel aus dem Käfig gelassen? Willst du wirklich sagen, du hast sie rausgelassen?«
»Nun ja, ich kann nur sagen, sie sind nicht im Bad ein- geschlossen, sie sind auch nicht im Schrank.«
»Die werden da draußen verhungern!«
»Sie können doch Würmer fangen, Beeren fressen und so.«
»Das können sie nicht! Das können sie eben nicht! Sie wissen gar nicht, wie! Sie werden sterben!«
»Wer nicht lernt, muß eben sterben«, sagte ich, und dann drehte ich mich langsam auf die andere Seite und schlief wieder ein. Undeutlich hörte ich, wie sie sich etwas zu essen kochte und Deckel und Löffel fallen ließ und fluchte. Aber Picasso war bei mir auf dem Bett, Picasso war vor ihren spitzigen Schuhen sicher. Ich hielt ihm meine Hand hin und er leckte sie ab und dann schlief ich.
Das heißt, eine Zeitlang. Denn ich wachte auf, als jemand an mir herumfummelte. Ich blickte auf, und sie starrte mir wie eine Verrückte in die Augen. Sie war nackt, ihre Brüste baumelten unmittelbar vor meinen Augen. Ihre Haare kit- zelten mich in den Nasenlöchern. Ich dachte an ihre Millio- nen, packte sie, warf sie auf den Rücken und steckte mein Ding rein.
    22
    Sie war kein richtiger Polyp, sie arbeitete nur bei denen auf dem Büro. Und wenn sie jetzt heimkam, erzählte sie mir immer öfter von einem Typ, der eine rote Krawatten- nadel trage und ein »richtiger Gentleman« sei.
    »Ach, er ist so gut zu mir!«
Jeden Abend hörte ich etwas über ihn.
»Nun«, sagte ich etwa, »wie geht's denn der Roten Kra- wattennadel?«
    »Ach«, sagte sie, »weißt du, was passiert ist?«
»Nein, Kleines, deshalb frag ich ja.«
»Ach, er ist ein ECHTER Gentleman!«
»Schon gut. Schon gut. Was ist passiert?«
»Ach weißt du, er hat soviel durchgemacht !«
»Natürlich.«
»Seine Frau ist gestorben, mußt du wissen.«
»So, muß ich das.«
»Sei nicht so schnippisch. Ich sage dir doch, seine Frau ist
    gestorben, und das kostete ihn fünfzehntausend Dollar an
    Arzt- und Bestattungskosten.«
»Na und?«
»Ich ging gerade den Flur hinunter. Er kam aus der ande- ren Richtung. Wir trafen uns. Er schaute mich an und sagte mit seinem türkischen Akzent: >Ahh, Sie sind so schön!< Und weißt du, was er tat?«
    »Nein, Kleines, sag's mir. Sag's mir schnell.«
    »Er hat mich auf die Stirn geküßt, ganz leicht, ganz, ganz leicht. Und dann ging er weiter.«
»Ich will dir mal was sagen, Kleines. Er hat zu viele Filme gesehen.«
»Woher hast du denn das gewußt?«
»Wie, wieso?«
»Er besitzt ein Autokino. Er bedient es jeden Abend nach Dienstschluß.«
»Kein Wunder«, sagte ich.
»Aber er ist ein richtiger Gentleman!« sagte sie.
»Sieh mal, Kleines, ich will dich ja nicht beleidigen, aber—« »Aber was?«
»Sieh mal, du gehörst einfach in eine Kleinstadt. Ich habe über fünfzig Jobs gehabt, vielleicht hundert. Ich bin nir- gends lange geblieben. Was ich sagen will, ist, daß in den Büros in ganz Amerika bestimmte Spielchen gespielt wer- den. Die Leute langweilen sich, sie wissen nicht was tun, da spielen sie eben das Spiel namens >Büro-Romanze<. In den meisten Fällen bedeutet das nichts weiter als Zeitver- treib. Manchmal schafft es einer, die eine oder andere Frau zu bumsen. Aber selbst dann ist es kaum mehr als ein Zeit- vertreib, so wie Kegeln oder Fernsehen oder eine Silvester- party. Du mußt unbedingt begreifen, daß es überhaupt nichts bedeutet,

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