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Der Mann mit der Ledertasche.

Der Mann mit der Ledertasche.

Titel: Der Mann mit der Ledertasche. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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Zoo gehen. Tiere anschauen. Wir können zum Strand hin- unterfahren und den Ozean anschauen. Es sind nur 45 Mi- nuten. Wir können in die Halle mit den Spielautomaten gehen. Oder zu den Pferderennen, ins Kunstmuseum, zu einem Boxkampf. Wir können uns Freunde anschaffen. Und lachen. Unser jetziges Leben ist genau wie das Leben aller anderen Leute: es bringt uns noch um.«
    »Nein, Hank, wir müssen ihnen beweisen, wir müssen ihnen beweisen...«
Da redete wieder das kleinstädtische Texasmädchen aus ihr.
Ich gab auf.
    17
    Jeden Abend, bevor ich zur Arbeit fuhr, legte Joyce meine Kleider auf dem Bett bereit. Es war durchweg das Teuerste, was man kaufen konnte. Ich trug nie dasselbe Paar Hosen, dasselbe Hemd, dieselben Schuhe in zwei aufein- anderfolgenden Nächten. Ich hatte Dutzende verschiedene Monturen. Ich zog einfach das an, was sie mir zurechtlegte. Ganz wie Mama früher.
    Eigentlich hab ich's nicht sehr weit gebracht, dachte ich, und dann zog ich das Zeug an.

    18
    Sie hatten diese Sache, die sie Schulung nannten, dreißig Minuten in jeder Nacht, und in der Zeit brauchten wir wenigstens keine Post zu sortieren.
    Ein großer Italiano stieg auf das Podium, um uns einzu- weisen.
»...nichts riecht so fein wie guter sauberer Schweiß, doch nichts riecht schlimmer als alter, abgestandener Schweiß...«
Großer Gott, dachte ich, höre ich richtig? Und so was wird von der Regierung gebilligt. Dieser Trottel sagt mir, ich solle mich unter den Armen waschen. Mit einem In- genieur oder Konzertmeister würden sie das nicht machen. Der degradiert uns.
»...baden Sie also täglich. Nicht nur Ihre Arbeitsleistung wird bewertet, sondern auch Ihre äußere Erscheinung.«
Ich glaube, er hätte gerne das Wort »Hygiene« irgendwo untergebracht, aber er brachte es einfach nicht heraus.
Dann ging er auf dem Podium nach hinten und zog eine große Landkarte herunter. Ein Riesending. Sie erstreckte sich über die halbe Bühne. Von irgendwoher schien ein Licht auf die Landkarte. Und der große Italiano nahm einen Zeigestock mit einem kleinen Gumminippel am Ende, so wie früher in der Volksschule, und er zeigte auf die Land- karte.
»Sehen Sie hier diese große GRÜNE Fläche? Es ist eine verdammt große Fläche. Sehen Sie genau hin!«
Er nahm seinen Zeigestock und fuhr damit über das Grün, hin und her.
Es gab damals wesentlich stärkere antirussische Gefühle als heute. China hatte noch nicht angefangen, seine Muskeln zu zeigen. Vietnam war nur eine Party mit ein bißchen Feuerwerk. Aber ich glaubte trotzdem, ich spinne. Ich hör doch wohl nicht richtig? Doch keiner der Zuhörer prote- stierte. Sie brauchten den Job. Und Joyce meinte, ich brau- che ihn auch.
Dann sagte er: »Sehen Sie, hier. Das ist Alaska ! Und dort sind sie! Sieht fast so aus, als könnten sie herüberspringen, nicht wahr?«
»Stimmt«, sagte irgendein Musterschüler in der ersten Reihe.
Der Italiano ließ die Karte nach oben schnellen. Sie ras- selte nach oben und war mit einem kriegerischen Knall verschwunden.
Dann kam er auf dem Podium wieder nach vorne und zeigte mit dem Gumminippel auf uns.
»Ich möchte, daß Sie verstehen, daß wir unter allen Um- ständen sparen müssen! Über eines müssen Sie sich im kla- ren sein: JEDER BRIEF, DEN SIE VERTEILEN - JEDE SEKUNDE, JEDE MINUTE, JEDE STUNDE, JEDEN TAG, JEDE WOCHE - JEDER BRIEF, DEN SIE ZUSÄTZLICH ZU DER VORGESCHRIEBENEN ANZAHL VERTEILEN, TRÄGT DAZU BEI, DIE RUSSEN ZU BESIEGEN! So, das ist alles für heute. Bevor Sie weggehen, bekommen Sie noch Ihre Tabelle mit den Zustellbezirken.«
Tabelle mit den Zustellbezirken. Was war denn das?
Einer ging herum und teilte diese Listen aus.
»Chinaski?« sagte er.
»Ja?«
»Sie haben Bezirk 9.«
»Danke«, sagte ich.
Ich hatte keine Ahnung, was ich da sagte. Bezirk 9 war das größte Postamt in der Stadt. Einige der Burschen be- kamen ganz winzige Bezirke. Es war wie mit dem sechzig Zentimeter langen Korb in 23 Minuten - sie überfuhren einen glatt damit.
    19
    Als sie am nächsten Abend mit der Gruppe vom Haupt- gebäude zum Schulungsgebäude überwechselten, blieb ich zurück, um mit GUS , dem alten Zeitungsausträger, zu reden. GUS war einmal im Weltergewicht der dritte in der Reihe der Herausforderer gewesen, doch den Champion hatte er nie zu Gesicht bekommen. Er war Rechtsausleger, und mit denen legt sich ja bekanntlich keiner gerne an — da muß einer erst völlig umlernen. Wozu sich die Mühe machen? GUS ging mit mir hinein, und wir genehmigten uns ein paar

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