Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann mit der Ledertasche.

Der Mann mit der Ledertasche.

Titel: Der Mann mit der Ledertasche. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
Vom Netzwerk:
vorher — bis auf die Wellensittiche.
»Hör mal, Baby...«
»Was ist denn nun schon wieder?«
»Also gut. An die Geranien und die Fliegen und Picasso habe ich mich ja gewöhnt, aber du mußt dir doch darüber klar werden, daß ich jede Nacht zwölf Stunden arbeite und nebenher noch eine Tabelle zu lernen versuche, und das bißchen Energie, das mir noch bleibt, belästigst du...« »Belästigst?«
    »Na gut. Ich hab mich nicht richtig ausgedrückt. Es tut mir leid.«
»Was meinst du mit >belästigen»Wie gesagt, vergessen wir das! Aber schau mal, die Wel- lensittiche...«
»Jetzt sind es also die Wellensittiche! Belästigen die dich auch?«
»Jawohl, genauso ist es. Hör doch.«
»Wer liegt oben?«
»Werd bloß nicht komisch. Werd nicht unanständig. Ich bemühe mich, dir etwas auseinanderzusetzen.«
»Jetzt willst du mir auch noch sagen, wie ich werden soll!«
»Schluß jetzt! Scheiße! Du sitzst schließlich auf dem Geld- sack! Läßt du mich jetzt reden oder nicht? Antworte mir, ja oder nein?«
»Also gut, kleines Baby: ja.«
»Na also. Das kleine Baby sagt: >Mama! Mama!< Diese Scheißwellensittiche bringen mich noch um den Verstand!«
»Aha, und jetzt sag Mama, wie dich die Wellensittiche um den Verstand bringen.«
»Nun, das ist so, Mama, die Dinger plappern den ganzen Tag, sie hören nie auf, und ich warte dauernd darauf, daß sie etwas sagen, aber sie sagen nie etwas, und ich kann den ganzen Tag nicht schlafen, weil ich immer diesen Idioten zuhöre!«
»Na schön, kleines Baby. Wenn sie dich nicht schlafen las- sen, laß sie hinaus.«
»Laß sie hinaus, Mama?«
»Ja, laß sie hinaus.«
»Ist gut, Mama.«
Sie gab mir einen Kuß und schwänzelte dann die Treppe hinunter, um ihren Dienst als Polyp anzutreten.
Ich ging zu Bett und versuchte zu schlafen. Wie die plap- perten! Mir tat jeder Muskel im Körper weh. Ob ich mich nun auf die eine Seite legte oder auf die andere oder auf den Rücken, mir tat alles weh. Ich fand heraus, daß es auf dem Bauch noch am ehesten ging, aber das war anstrengend. Ich brauchte zwei oder drei Minuten, nur um meine Stellung zu wechseln.
Ich warf mich herum, mal so, mal so, fluchte, schrie auch ein bißchen, lachte gelegentlich, denn meine Lage war aus- gesprochen lächerlich. Und das Geplapper ging weiter. Sie schafften mich. Was wußten sie in ihrem kleinen Käfig schon von Schmerzen? Tratschende Eierköpfe! Nur Federn; ein Gehirn so groß wie ein Stecknadelkopf.
Mühsam stieg ich aus dem Bett, ging in die Küche, füllte ein Glas mit Wasser, und dann ging ich zu dem Käfig hin und goß Wasser über sie.
»Arschficker!« verfluchte ich sie.
Sie schauten mich aus ihren nassen Gesichtern traurig an. Sie waren still ! Es geht eben doch nichts über die alte Was- serbehandlung! So ein Seelendoktor weiß doch, was er tut. Dann beugte sich der Grüne mit der gelben Brust vor und biß sich in die Brust. Dann blickte er wieder auf und fing an mit dem Roten mit der grünen Brust zu plappern, und weiter ging's wie vorher.
Ich saß auf der Bettkante und hörte ihnen zu. Picasso kam her und biß mich ins Fußgelenk.
Jetzt reichte es mir endgültig. Ich nahm den Käfig nach draußen. Picasso folgte mir. Zehntausend Fliegen erhoben sich senkrecht in die Luft. Ich stellte den Käfig auf die Erde, machte die kleine Tür auf und setzte mich auf die Treppe.
Beide Vögel blickten auf die offene Käfigtür. Sie kapier- ten nicht und kapierten doch. Ich sah direkt, wie sie ihren kleinen Verstand in Gang zu setzen versuchten. Sie hatten ihr Fressen und ihr Wasser vor sich stehen, doch was war diese offene Tür?
Der Grüne mit der gelben Brust ging zuerst. Er sprang von seiner Stange herunter auf die Öffnung zu. Da saß er und umklammerte den Draht. Er blickte sich nach den Flie- gen um. Fünfzehn Sekunden stand er da und versuchte sich zu entscheiden. Dann klickte irgendwas in seinem Kopf. Oder ihrem Kopf. Er flog nicht. Er schoß senkrecht in den Himmel. Direkt nach oben. Senkrecht nach oben! So gerade wie ein Pfeil! Picasso und ich saßen da und sahen zu. Das verdammte Biest war fort.
Dann kam der Rote mit der grünen Brust.
Der Rote zögerte viel länger. Er ging nervös im Käfig hin und her. Es war eine verdammt schwere Entscheidung. Men- schen, Vögel, alle müssen solche Entscheidungen treffen. Das Leben war hart.
Der Rote spazierte also herum und dachte nach. Gelbes Sonnenlicht. Summende Fliegen. Mann und Hund schauen zu. Und der ganze Himmel, der ganze Himmel.
Es war zuviel. Der Rote

Weitere Kostenlose Bücher