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Der Mann mit der Ledertasche.

Der Mann mit der Ledertasche.

Titel: Der Mann mit der Ledertasche. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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ein Schlückchen Wasser, nicht zuviel, nur ein Schlückchen.«
Sie reagierte nicht. Ich versuchte es zehn Minuten lang. Nichts.
Wieder bildete sich Speichel auf ihren Lippen, ich wischte es weg.
Dann stand ich auf und zog den Vorhang zurück. Ich starrte die drei Frauen an.
Ich ging aus dem Zimmer und wandte mich an die dienst- habende Krankenschwester.
»Sagen Sie mal, warum kümmert sich niemand um die Frau in 45-c? Betty Williams?«
»Wir tun alles, was wir können.«
»Aber es ist niemand bei ihr.«
»Wir machen regelmäßig unseren Rundgang.«
»Wo sind aber die Ärzte? Ich seh keine Ärzte.«
»Der Arzt war bei ihr.«
»Warum lassen Sie sie einfach liegen?«
»Wir haben alles getan, was wir können.«
»DAS REICHT MIR ABER NICHT! Ich wette, wenn das der Präsident oder Gouverneur oder Bürgermeister oder irgendein reicher Scheißkerl wäre, würden eine ganze Menge Ärzte in dem Zimmer umherschwirren und irgendwas tun! Warum lassen Sie die Leute einfach sterben? Ist es denn eine Sünde, arm zu sein?«
»Ich habe Ihnen bereits gesagt, wir haben ALLES getan, was wir können.«
»In zwei Stunden komme ich wieder.«
»Sind Sie ihr Mann?«
»Wir haben mal wie verheiratet zusammengelebt.«
»Würden Sie uns Ihren Namen und Ihre Telefonnummer dalassen?«
Ich schrieb ihr das schnell auf und ging.
    10
    Die Beerdigung war auf halb elf angesetzt, aber es war jetzt schon heiß. Ich hatte einen billigen schwarzen Anzug an, den ich in aller Eile gekauft hatte. Es war seit Jahren mein erster neuer Anzug. Ich hatte den Sohn ausfindig gemacht. Wir waren unterwegs in seinem neuen Mercedes- Benz. Ich hatte ihn aufgrund eines Zettels mit der Adresse seines Schwiegervaters gefunden. Zwei Ferngespräche, und ich hatte ihn. Als er ankam, war seine Mutter tot. Sie starb, während ich die Ferngespräche führte. Der Junge, Larry, war mit der Gesellschaft nie zurechtgekommen. Er hatte die Angewohnheit, von Freunden Autos zu stehlen, doch dank den Freunden und dem Richter kam er irgendwie immer wieder davon. Dann holte ihn die Armee, und irgendwie schlüpfte er in ein Trainingsprogramm, und als er entlassen wurde, ergatterte er sich einen gutbezahlten Job. Dann hörte er auf, seine Mutter zu besuchen, als er den guten Job bekommen hatte.
    »Wo ist Ihre Schwester?« fragte ich ihn.
»Ich weiß nicht.«
»Das ist ein feines Auto. Ich kann nicht mal den Motor
    hören.«
Larry lächelte. Das gefiel ihm.
Wir gingen nur zu dritt zur Beerdigung: Sohn, Liebhaber
    und die geistig zurückgebliebene Schwester der Hotelbesit- zerin. Sie hieß Marcia. Marcia sagte nie etwas. Sie saß nur herum, mit diesem irren Lächeln auf den Lippen. Ihre Haut war so weiß wie Emaille. Sie hatte einen Wust toter gelber Haare und einen Hut, der nicht recht passen wollte. Marcia war von der Besitzerin als Stellvertreterin geschickt worden. Die Besitzerin mußte auf ihr Hotel aufpassen.
    Ich hatte natürlich einen üblen Kater. Wir machten eine Kaffeepause.
    Es hatte schon im voraus Schwierigkeiten mit der Beerdi- gung gegeben. Larry hatte sich mit dem katholischen Prie- ster gestritten. Es gab gewisse Zweifel, ob Betty eine echte Katholikin war. Der Priester wollte die Zeremonie nicht abhalten. Schließlich einigte man sich auf eine halbe Ze- remonie. Nun, eine halbe Zeremonie war besser als gar keine.
    Selbst mit den Blumen hatten wir Schwierigkeiten. Ich hatte einen Kranz mit Rosen gekauft, verschiedene Arten von Rosen, die zu einem Kranz verflochten worden waren. Das Blumengeschäft arbeitete einen ganzen Nachmittag dar- an. Die Dame im Blumengeschäft hatte Betty gekannt. Sie hatten einige Jahre vorher häufig zusammen getrunken, als Betty und ich das Haus und den Hund hatten. Delsie, so hieß sie. Ich war immer auf Delsie scharf gewesen, schaffte es aber nie.
    Delsie hatte mich angerufen. »Hank, was ist denn eigent- lich mit diesen Heinis los?«
»Was für Heinis?«
»Mit diesen Typen in der Leichenhalle.«
»Was ist denn?«
»Nun, unser Junge sollte mit dem Lieferwagen deinen Kranz abliefern, und sie wollten ihn nicht reinlassen. Sie sagten, es sei geschlossen. Du weißt, es ist eine lange Fahrt da rauf.«
»Und dann, Delsie?«
»Schließlich durfte er dann den Kranz innen an die Tür lehnen, aber in den Kühlschrank ließen sie ihn nicht legen. Und so mußte ihn der Junge neben der Tür liegenlassen. Was zum Kuckuck ist bloß mit diesen Leuten?«
»Was weiß ich. Was zum Kuckuck ist mit den Leuten auf der ganzen Welt?«
»Ich kann nicht zur Beerdigung kommen.

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