Der Mann mit der Ledertasche.
einige Teller aus Pappdeckel.
Ich ging ins Schlafzimer zurück, -wo sich Fay eben eine Praline in den Mund steckte.
»Hör mal, Fay«, sagte ich, »ich weiß, du willst die Welt retten. Aber könntest du nicht vielleicht in der Küche damit anfangen?«
»Küchen sind nicht wichtig«, sagte sie.
Es war schwierig, eine Frau mit grauen Haaren zu schlagen, und so ging ich statt dessen ins Bad und ließ die Bade- wanne vollaufen. Ein heißes Bad würde meinen Nerven vielleicht gut tun. Als die Wanne voll war, hatte ich Angst, mich hineinzusetzen. Mein geschundener Körper war in- zwischen dermaßen steif geworden, daß ich fürchten mußte im Badewasser zu ertrinken.
Ich ging ins Wohnzimmer, und mit einiger Mühe gelang es mir, Hemd, Hosen, Schuhe und Strümpfe auszuziehen. Ich ging zurück ins Schlafzimmer und stieg zu Fay ins Bett. Ich fand einfach keine bequeme Stellung. Sobald ich mich bewegte, tat mir alles weh.
Die einzige Zeit, in der du allein bist, Chinaski, so dachte ich, ist auf der Fahrt zur Arbeit und von der Arbeit nach Hause.
Schließlich lag ich halbwegs bequem auf dem Bauch. Mir tat alles weh. Schon bald würde ich wieder zur Arbeit fahren müssen. Wenn ich wenigstens ein bißchen schlafen könnte, dann wäre mir schon geholfen. Von Zeit zu Zeit hörte ich, wie eine Seite umgeblättert wurde, wie eine Praline gegessen wurde. Es war einer ihrer Kursabende ge- wesen. Wenn sie bloß das Licht ausmachen würde.
»Wie war dein Kurs?« fragte ich, auf dem Bauch liegend.
»Ich mache mir Sorgen wegen Robby.«
»So?« fragte ich, »was ist denn mit ihm?«
Robby ging auf vierzig zu, und er hatte sein ganzes Leben lang bei seiner Mutter gewohnt. Er schrieb nichts anderes, so wurde mir erzählt, als schrecklich lustige Geschichten über die katholische Kirche. Robby rieb es den Katholiken richtig rein. Die Zeitschriften waren einfach noch nicht reif für Robby, obwohl eine kanadische Zeitung einmal etwas von ihm veröffentlicht hatte. An einem meiner freien
Abende hatte ich Robby einmal gesehen. Ich brachte Fay zu dieser Villa, wo sie sich gegenseitig ihr Zeug vorlasen. »Oh! Da ist Robby!« hatte Fay gesagt, »er schreibt schrecklich lustige Geschichten über die katholische Kirche!«
Sie hatte mit dem Finger auf ihn gezeigt. Robby stand mit dem Rücken zu uns. Sein Arsch war ausladend breit und weich und hing in seinen Hosen. Können die denn das nicht sehen? dachte ich.
»Willst du nicht mit reinkommen?« hatte Fay gefragt.
»Vielleicht nächste Woche...«
Fay schob sich eine weitere Praline in den Mund.
»Robby hat Sorgen. Er hat seinen Job als Lastwagen- fahrer verloren. Er sagt, ohne einen Job könne er nicht schreiben. Er braucht das Gefühl der Sicherheit. Er sagt, er könne nicht wieder schreiben, bis er einen neuen Job fin- det.«
»Wenn's weiter nichts ist«, sagte ich, »ich kann ihm eine Stelle besorgen.«
»Wo? Wie?«
»Unten im Postamt werden laufend Leute angestellt, die bekommen gar nicht genug. Und sie zahlen ganz gut.«
»IM POSTAMT! ROBBY IST VIEL ZU SENSIBEL, ALS DASS ER IM POSTAMT ARBEITEN KÖNNTE!«
»Schade«, sagte ich, »ich dachte nur, ich erwähn's mal. Gute Nacht.«
Fay gab mir keine Antwort. Sie war verärgert.
8
Freitag und Samstag hatte ich frei, und so wurde der Sonn- tag zum schlimmsten Tag. Außerdem mußte ich sonntags schon um 15:30 Uhr da sein anstatt wie sonst um 18:18 Uhr.
An diesem Sonntag stellten sie mich in den Zeitungs- raum, wie so oft am Sonntag, und das hieß, daß ich min- destens acht Stunden auf den Beinen sein würde.
Zusätzlich zu den Schmerzen im ganzen Leib bekam ich jetzt auch immer öfter Schwindelanfälle. Alles fing sich dann an zu drehen, ich spürte, wie es mir schwarz vor den Augen wurde, und dann riß ich mich zusammen.
Es war ein brutaler Sonntag gewesen. Freunde Fays wa- ren zu Besuch gekommen; sie setzten sich auf die Couch und zirpten, was sie doch für großartige Schriftsteller seien, wirklich die besten im ganzen Land. Der einzige Grund, warum nichts von ihnen veröffentlicht wurde, war, daß sie — so behaupteten sie — ihr Zeug an keinen Verleger schickten.
Ich hatte sie mir angesehen. Wenn sie so schrieben, wie sie aussahen, wie sie ihren Kaffee tranken und kicherten und ihre Brötchen eintunkten, dann war es gleich, ob sie ihr Zeug Verlagen anboten oder sich damit den Arsch ab- wischten.
Ich verteilte an diesem Sonntag also die Zeitschriften. Ich brauchte ein oder zwei Tassen Kaffee, ein bißchen was zu essen. Doch die ganzen
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