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Der Mann mit der Ledertasche.

Der Mann mit der Ledertasche.

Titel: Der Mann mit der Ledertasche. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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Aufseher standen am Eingang. Ich verdrückte mich durch die hintere Tür. Ich mußte einfach meinen Kater los werden. Die Kantine war im ersten Stock. Ich war im dritten. Am Ende des Ganges, neben dem Klo, war ein Ausgang. Ich sah das Schild davor:
    WARNUNG!
DIESE TREPPE
NICHT BENÜTZEN!
    Es war ein Trick. Aber ich war schlauer als diese Hunde. Die hatten nur das Schild angebracht, um kluge Bürschchen wie Chinaski davon abzuhalten, zur Kantine hinunterzu- gehen. Ich machte die Tür auf und ging hinunter. Die Tür ging hinter mir zu. Ich ging die Treppen zum ersten Stock hinunter. Drehte am Türgriff. Himmel Arsch! Die Tür ging nicht auf! Sie war verschlossen. Ich ging wieder zurück. An der Tür zum zweiten Stock vorbei. Ich versuchte erst gar nicht, sie zu öffnen. Ich wußte, daß sie verschlossen war. Genau so wie die zum Erdgeschoß. Schließlich kannte ich mich allmählich bei der Post aus. Wenn sie eine Falle stell- ten, dann taten sie das gründlich. Ich hatte noch eine kleine Chance. Ich war im dritten Stock. Ich versuchte den Türgriff. Nichts zu machen.
    Wenigstens war das Klo nicht weit. Auf dem Klo ging es dauernd ein und aus. Ich wartete. Zehn Minuten. Fünfzehn Minuten. Zwanzig Minuten! Wollte denn ÜBERHAUPT NIEMAND scheißen, pissen oder sich ausruhen? Fünfund- zwanzig Minuten. Dann sah ich ein Gesicht. Ich klopfte an die Glasscheibe.
    »Heh, Kumpel! HEH, KUMPEL!«
    Er hörte mich nicht, oder er tat so, als hörte er mich nicht. Er ging aufs Klo. Fünf Minuten. Dann kam ein anderes Gesicht vorbei.
    Ich klopfte energisch. »HEH, KUMPEL! HEH, DU DA, DU SCHWANZLUTSCHER!«
Er muß mich wohl gehört haben. Durch das Drahtglas sah er mich an.
»Ich hab gesagt: MACH DIE TÜR AUF! SIEHST DU MICH DENN NICHT HIER DRIN? ICH BIN EINGE- SCHLOSSEN, DU SCHWACHKOPF! MACH DIE TÜR AUF!«
Er machte die Tür auf. Ich ging hinein. Der Kerl war in einer Art Trancezustand.
Ich drückte ihm den Ellbogen.
»Vielen Dank, Kumpel.«
Ich ging zurück zu meinem Verteilerkasten.
Dann kam der Aufseher vorbei. Er blieb stehen und sah mich an. Meine Hände wurden langsamer.
»Wie geht es denn, Mr. Chinaski?«
Ich knurrte ihn an, fuchtelte mit einer Zeitschrift herum, als sei ich übergeschnappt, redete mit mir selber, und er ging weiter.
    Fay war schwanger. Doch sie änderte sich dadurch nicht, und das Postamt änderte sich auch nicht.
Es waren immer die gleichen, die die Arbeit machten, während die gemischte Mannschaft herumstand und über Sport fachsimpelte. Es waren alles große schwarze Gestal- ten - gebaut wie Schwergewichtsringer. Immer wenn ein Neuer den Dienst antrat, teilten sie ihn der gemischten Mannschaft zu. Auf diese Weise brachten sie wenigstens die Aufseher nicht um. Wenn die gemischte Mannschaft über- haupt einen Aufseher hatte — zu Gesicht bekam man ihn nie. Die Mannschaft brachte Lastwagenladungen Post herein, die mit dem Frachtaufzug heraufkam. Damit waren sie viel- leicht fünf Minuten in der Stunde beschäftigt. Manchmal zählten sie die Post, oder taten jedenfalls so, als ob. Sie sahen sehr gelassen und intellektuell aus, wie sie da mit dem langen Bleistift hinter den Ohren zählten. Doch die meiste Zeit stritten sie sich heftig über das Neueste vom Sport. Sie waren samt und sonders Experten - sie lasen die- selben Sportberichte.
»Los doch, Mann, wer ist der größte Außenfeldspieler aller Zeiten?«
»Ich würde sagen, Willie Mays, Ted Williams, Cobb.«
»Was? Was?«
»Klarer Fall, Baby!«
»Und Babe Ruth? Zählt der bei dir vielleicht nichts?«
»Okay, okay, wer ist denn für dich der größte Außen- feldspieler?«
»Ganz klar, Mays, Ruth und Di Maggio!«
»Ihr seid ja alle beide verrückt! Habt ihr noch nie was von Hank Aaron gehört? Hank Aaron gehört dazu!«
Einmal wurden die Plätze in der gemischten Mannschaft ausgeschrieben. Solche Ausschreibungen wurden dann mei- stens nach dem Dienstalter entschieden. Die gemischte Mannschaft ging herum und riß die Seiten aus dem Aus- schreibungsbuch. Dann blieb ihnen nichts mehr zu tun. Nie- mand beschwerte sich. Der nächtliche Weg zum Parkplatz war lang und dunkel.
    10
    Ich bekam dauernd diese Schwindelanfälle. Ich spürte, wenn sie anfingen. Dann begann der Verteilerkasten sich zu drehen. So ein Anfall dauerte etwa eine Minute. Ich konnte das einfach nicht verstehen. Die Briefe wurden von Mal zu Mal schwerer. Die Leute um mich herum fingen an, tot und grau auszusehen. Ich rutschte immer öfter von
meinem Hocker herunter. Meine Beine wollten nicht mehr

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