Der Mann mit der Ledertasche.
genug, sie mir wegzu- nehmen?«
»Mann, das weiß ich doch nicht. Es liegt ganz bei ihr. Wenn sie bei Ihnen bleiben will, dann bleibt sie eben. Fragen Sie sie doch selber.«
»Mary Lou, bleibst du bei mir?«
»Nein«, sagte sie, »ich geh mit ihm.«
Sie zeigte auf mich. Ich kam mir wichtig vor. Ich hatte
schon so viele Frauen an so viele Typen abgeben müssen, daß es richtig gut tat, wenn es mal anders herum lief. Ich zündete mir eine Zigarre an. Dann blickte ich mich nach einem Aschenbecher um. Ich sah einen auf dem Frisier- tisch.
Zufällig schaute ich in den Spiegel, um zu sehen, wie sehr ich verkatert war, und da sah ich, wie er auf mich zukam, wie ein Pfeil auf die Zielscheibe. Ich hatte immer noch die Bierflasche in der Hand. Ich wirbelte herum und erwischte ihn voll im Mund. Sein ganzer Mund war voller eingeschla- gener Zähne und Blut. Hektor ließ sich auf die Knie fallen und heulte und hielt sich den Mund mit beiden Händen. Ich sah das Stilett. Mit dem Fuß stieß ich das Stilett von ihm weg, hob es auf und betrachtete es. 22 cm. Ich drückte auf den Knopf, und die Klinge verschwand. Ich steckte mir das Ding in die Tasche.
Und während Hektor noch am Boden kniete und heulte, ging ich hin und trat ihm meinen Stiefel in den Arsch. Er kippte um und fiel flach auf den Boden und heulte weiter. Ich ging hinüber und nahm einen Schluck aus seiner Bier- flasche.
Dann ging ich zu Mary Lou hinüber und schlug sie ins Gesicht. Sie kreischte.
»Miststück! Du hast mich in die Falle gelockt, stimmt's? Du wolltest mich von diesem Gorilla wegen der lumpigen vier- oder fünfhundert Dollar in meiner Brieftasche um- bringen lassen!«
»Nein, nein!« sagte sie. Sie heulte. Sie heulten alle beide.
Ich schlug sie noch einmal.
»Ist das deine Masche, du Miststück? Für ein paar Hun- derter legst du Männer aufs Kreuz!«
»Nein, nein! Ich LIEBE dich, Hank, ich LIEBE dich!«
Ich packte dieses blaue Kleid am Kragen und riß es an der Seite auf, bis zur Hüfte. Sie trug keinen BH. Das hatte das Weibsstück gar nicht nötig.
Ich ging aus dem Haus, stieg in mein Auto und fuhr zur Pferderennbahn. Zwei, drei Wochen lang warf ich dauernd einen Blick über die Schulter. Ich war nervös. Nichts pas- sierte. Ich sah Mary Lou nie wieder auf der Rennbahn. Und Hektor auch nicht.
Irgendwie ging es danach mit meinen Gewinnen bergab, und kurz darauf zog ich mich von der Rennbahn zurück und saß in meiner Wohnung herum und wartete auf das Ende meines neunzigtägigen Urlaubs. Nach all dem Trinken und den Aufregungen war ich mit den Nerven am Ende. Es ist nichts Neues, wie Frauen über einen Mann herfallen. Man glaubt, man habe endlich eine Verschnaufpause, blickt sich um, und da steht bereits die nächste. Nur ein paar Tage, nachdem ich wieder mit der Arbeit angefangen hatte, tauchte tatsächlich die nächste auf. Fay. Fay hatte graue Haare und war immer schwarz angezogen. Sie sagte, sie demonstriere gegen den Krieg. Doch wenn Fay gegen den Krieg demonstrieren wollte, hatte ich durchaus nichts da- gegen. Sie war eine Art Schriftstellerin und besuchte einige einschlägige Kurse. Sie machte sich ihre eigenen Vorstel- lungen zur Rettung der Welt. Wenn sie sie für mich retten wollte, hatte ich auch dagegen nichts einzuwenden. Sie hatte bis dahin von Unterhaltszahlungen eines früheren Mannes gelebt — sie hatten drei Kinder gehabt — und ihre Mutter schickte gelegentlich auch einen Scheck. Fay hatte in ihrem ganzen Leben nicht mehr als einen oder zwei Jobs gehabt.
Janko erzählte die gleiche Scheiße wie eh und je. Jeden Morgen schickte er mich mit fürchterlichen Kopfschmerzen nach Hause. Zu der Zeit bekam ich zahllose Strafzettel. Ich brauchte nur in den Rückspiegel zu schauen, so schien es, und schon tauchte ein Streifenwagen oder ein Polizei- motorrad auf.
Eines Nachts kam ich spät nach Hause. Ich war wirklich restlos erledigt. Ich mußte alle Kräfte zusammennehmen, um den Schlüssel aus der Tasche zu fischen und ins Schloß zu stecken. Ich ging ins Schlafzimmer, und da lag Fay im Bett und las den New Yorker und aß Pralinen. Sie begrüßte mich nicht mal.
Ich ging in die Küche und suchte nach etwas Eßbarem. Der Kühlschrank war leer. Ich wollte mir ein Glas Wasser holen. Ich schaute auf den Spültisch. Der Abfluß war mit Abfällen verstopft. Fay hob gern leere Gläser und die da- zugehörigen Deckel auf. Das schmutzige Geschirr türmte sich im Spülbecken, und auf dem Wasser schwammen diese Gläser und Deckel und dazu
Weitere Kostenlose Bücher