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Der Mann mit der Ledertasche.

Der Mann mit der Ledertasche.

Titel: Der Mann mit der Ledertasche. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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Entrinnen.
    12
    Fay hielt sich gut mit ihrer Schwangerschaft. Für ein Mäd- chen in ihrem Alter hielt sie sich gut. Wir saßen in unserer Wohnung und warteten. Schließlich war es so weit.
    »Es wird nicht lange dauern«, sagte sie. »Ich will nicht zu früh dort sein.«
Ich ging hinaus und schaute nach dem Auto. Kam zurück.
»Uuuh, au«, sagte sie. »Nein, warte.«
Vielleicht konnte sie tatsächlich die Welt retten. Ich war stolz auf ihre Gelassenheit. Ich verzieh ihr das schmutzige Geschirr und den New Yorker und ihren Schriftstellerkurs. Das alte Mädchen war einfach ein weiteres einsames Wesen in einer gleichgültigen Welt.
»Ich glaube, wir sollten jetzt gehen«, sagte ich.
»Nein«, sagte Fay, »ich möchte dich dort nicht zu lange warten lassen. Ich weiß, daß es dir in letzter Zeit nicht gut geht.«
»Zum Teufel mit mir. Gehen wir.«
»Nein, bitte, Hank.«
Sie saß einfach da.
»Was kann ich für dich tun?« fragte ich.
»Nichts.«
Zehn Minuten saß ich so da. Ich ging in die Küche, um ein Glas Wasser zu trinken. Als ich herauskam, sagte sie: »Willst du jetzt fahren?«
»Sicher.«
»Du weißt, wo das Krankenhaus ist?«
»Natürlich.«
Ich half ihr ins Auto. In der Woche vorher hatte ich die Strecke zweimal zur Probe abgefahren. Doch als wir jetzt ankamen, hatte ich keine Ahnung, wo ich parken sollte. Fay zeigte auf eine Rampe.
»Fahr da hinein. Park da drin. Von da aus gehen wir ins Haus.«
»Sofort«, sagte ich...
    Sie lag in einem hinteren Zimmer mit Blick zur Straße. Ihr Gesicht schnitt eine Grimasse. »Halt meine Hand«, sagte sie. Ich tat es.
    »Wird es denn tatsächlich passieren?« fragte ich.
»Ja.«
»Du tust so, als sei es überhaupt nichts.«
»Du bist so furchtbar nett zu mir. Das hilft.«
»Ich wäre gern nett. Aber dieses gottverdammte Post- amt...«
    »Ich weiß. Ich weiß.«
Wir schauten aus dem Fenster.
Ich sagte: »Schau dir diese Leute da unten an. Die haben
    keine Ahnung, was hier oben vor sich geht. Sie gehen ein- fach den Gehweg entlang. Und doch, komisch... sie wurden selber einmal geboren, jeder einzelne von ihnen.«
»Ja, das ist komisch.«
Ich spürte die Bewegungen ihres Körpers in ihrer Hand. »Halt mich fester«, sagte sie.
»Ja.«
»Es wird mir nicht gefallen, wenn du gehst.«
»Wo ist der Arzt? Wo sind die denn alle? Was zum Teufel
    ist denn!«
»Die kommen schon.«
Genau in dem Augenblick kam eine Schwester herein. Es
    war ein katholisches Krankenhaus, und es war eine sehr hübsche Krankenschwester, dunkel, Spanierin oder Portu- giesin.
    »Sie... müssen... jetzt gehen«, sagte sie mir.
    Mit einem erzwungenen Lächeln zeigte ich Fay, daß ich ihr den Daumen hielt. Ich glaube nicht, daß sie es sah. Mit dem Aufzug fuhr ich hinunter.
    13
    Mein deutscher Arzt kam auf mich zu. Derselbe, der mir die Bluttests gemacht hatte.
»Gratuliere«, sagte er und schüttelte mir die Hand, »es ist ein Mädchen. 8 1 / 3 Pfund.«
»Und die Mutter?«
»Der Mutter wird es bald wieder gut gehen. Es gab über- haupt keine Schwierigkeiten.«
»Wann kann ich sie sehen?«
»Man wird Ihnen Bescheid sagen. Bleiben Sie einfach hier sitzen, bis Sie gerufen werden.«
Dann war er weg.
Ich schaute durch die Glasscheibe. Die Schwester zeigte auf mein Kind. Das Gesicht des Kindes war sehr rot, und es schrie lauter als irgendeines der anderen Kinder. Der ganze Raum war voller schreiender Kinder. So viele Gebur- ten! Die Schwester schien sehr stolz auf mein Baby. Oder wenigstens hoffte ich, daß es meines war. Sie hob das Mäd- chen hoch, damit ich es besser sehen konnte. Ich lächelte durch die Scheibe, ich wußte nicht, wie ich mich verhalten sollte. Das Mädchen schrie einfach weiter. Armes Ding, dachte ich, armes kleines verdammtes Ding. Ich wußte da- mals noch nicht, daß sie eines Tages ein wunderschönes Mädchen sein würde, das genauso aussah wie ich, hahaha.
Ich bedeutete der Schwester, sie solle das Kind wieder hinlegen, dann winkte ich beiden Lebwohl. Sie war eine nette Krankenschwester. Gute Beine. Gute Hüften. Ordent- liche Brüste.
    Fay hatte am linken Mundwinkel einen Blutfleck, und ich nahm ein feuchtes Tuch und wischte ihn weg. Frauen sind zum Leiden ausersehen; kein Wunder, sie verlangten stän- dige Liebeserklärungen.
    »Ich wollte, sie würden mir mein Baby geben«, sagte Fay, »es ist nicht richtig, daß sie uns so trennen.«
»Ich weiß. Aber wahrscheinlich gibt es dafür irgendeinen medizinischen Grund.«
»Ja, aber es scheint einfach nicht richtig.«
»Nein, da hast du recht.

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