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Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition)

Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition)

Titel: Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Musil
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den anderen stand, und ihre Phantasie hatte begonnen, ihm eine besondere und noch nicht aufgeklärte Rolle in der Parallelaktion zuzuschreiben. Er sah sie immer freundlich an, und die kleine Rachel nahm wahr, daß er sie besonders lange dann betrachtete, wenn er glaubte, daß sie es nicht sehe. Sie hielt es für gewiß, daß er etwas von ihr wünsche; mochte es nur kommen; ihr weißes Fellchen zog sich erwartungsvoll zusammen, und aus ihren schönen schwarzen Augen schoß hie und da eine ganz kleine goldene Spitze zu ihm hinüber! Ulrich fühlte das Knistern dieser kleinen Person, ohne sich darüber Rechenschaft geben zu können, während sie um die statiösen Möbel und Besucher herumstrich, und es bot ihm einige Zerstreuung.
    Er verdankte seinen Platz in Rachels Aufmerksamkeit nicht zum geringsten geheimnisvollen Vorzimmergesprächen, durch die Arnheims beherrschende Stellung ins Wanken geraten war; denn dieser strahlende Mann hatte, ohne es zu wissen, außer ihm und Tuzzi noch einen dritten Feind in seinem kleinen Diener Soliman. Dieser Mohrenknabe war die funkelnde Schließe in dem Zaubergürtel, den die Parallelaktion um Rachel gelegt hatte. Ein komischer Kleiner, der hinter seinem Herrn aus dem Märchenland in die Straße gekommen war, wo Rachel diente, war er von ihr einfach als der unmittelbar für sie bestimmte Teil des Märchens in Besitz genommen worden; so war es sozial vorgesehen; der Nabob war die Sonne und gehörte Diotima, Soliman gehörte Rachel und war ein in der Sonne leuchtender, entzückend bunter Scherben, den sie für sich aufhob. Aber das war nicht ganz des Knaben Meinung. Er stand, trotz seiner körperlichen Kleinheit, schon zwischen dem sechzehnten und dem siebzehnten Jahr und war ein Wesen voll Romantik, Bosheit und persönlichen Ansprüchen. Arnheim hatte ihn einst im Süden Italiens aus einer Truppe von Tänzern herausgeholt und zu sich genommen; der sonderbar zappelige Kleine, mit der Melancholie seines Affenblicks, hatte ihm ans Herz gegriffen, und der reiche Mann beschloß, ihm ein höheres Leben zu eröffnen. Es war dies eine Sehnsucht nach inniger, treuer Gesellschaft, wie sie den Einsamen nicht selten als Schwäche anwandelte, die er aber gewöhnlich hinter vermehrter Tätigkeit verbarg, und er hatte Soliman bis zu dessen vierzehntem Jahr ungefähr so unachtsam als gleichgestellt behandelt, wie man früher in reichen Häusern die Milchgeschwister der eigenen Kinder aufzog, die an allen Spielen und Vergnügungen teilhaben dürfen, ehe der Augenblick kommt, wo man herauskehren muß, daß die Milch einer Mutterbrust mit Geringerem säugt als die der Ammenbrust. Soliman hatte Tag und Nacht, am Schreibtisch oder während stundenlanger Gespräche mit berühmten Besuchern zu Füßen, hinter dem Rücken oder auf den Knien seines Herrn gekauert. Er hatte Scott, Shakespeare und Dumas gelesen, wenn gerade Scott, Shakespeare und Dumas auf den Tischen herumlagen, und hatte am Handwörterbuch der Geisteswissenschaften buchstabieren gelernt. Er aß die Bonbons seines Herrn und begann frühzeitig, wenn es niemand sah, auch seine Zigaretten zu rauchen. Ein eigener Lehrer kam und gab ihm – etwas unregelmäßig wegen der vielen Reisen – Elementarunterricht. Bei alledem hatte sich Soliman fürchterlich gelangweilt und nichts so sehr geliebt wie die Aufgaben eines Kammerdieners, an denen er gleichfalls teilhaben durfte, denn das war eine wirkliche und erwachsene Tätigkeit, die seinem Tatendrang schmeichelte. Aber eines Tags, und es war noch nicht lange her, hatte ihn sein Herr zu sich rufen lassen und ihm freundlich erklärt, daß er nicht ganz das gehalten habe, was er sich von ihm versprochen hätte, daß er nun kein Kind mehr sei und daß Arnheim, der Herr, die Verantwortung dafür trage, daß aus Soliman, dem kleinen Diener, ein ordentlicher Mensch werde; weshalb er beschlossen habe, ihn von nun an genau als das zu behandeln, was er einst sein müsse, so daß er sich noch rechtzeitig daran gewöhnen könne. Viele erfolgreiche Männer – fügte Arnheim hinzu – hätten als Stiefelputzer und Tellerwäscher angefangen, worin gerade ihre Kraft gelegen habe, denn das Wichtigste sei, daß man von allem Anfang an alles ganz tue.
    Diese Stunde, wo er von einem unbestimmten Luxusgeschöpf zum Diener mit freier Station und kleinem Salär befördert worden war, richtete in Solimans Herzen eine Verwüstung an, von der Arnheim nichts ahnte. Soliman hatte die Eröffnungen, die ihm Arnheim machte,

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