Der Mann ohne Geld - Meine Erfahrungen aus einem Jahr Konsumverweigerung
Zeichen einer solch außergewöhnlichen Entwicklung zu lesen. Doch wenn man in der Natur lebt, werden einem ihre Eigenheiten viel bewusster. Dem Wandel der Jahreszeiten wohnt definitiv ein Zauber inne, es ist der gleiche Effekt wie der des ersten Sonnenstrahls, der über dem Horizont das Ende der Nacht und den Beginn des Tages ankündigt. Ich kann den genauen Moment bestimmen, an dem ich merkte, dass der Winter vorüber war.
Es war der zweitletzte Donnerstag im Februar, sieben Tage nachdem der letzte Schnee geschmolzen war. Aus keinem ersichtlichen Grund war ich beim Aufwachen noch fröhlicher als gewöhnlich. Gegen 7:15 Uhr, als ich las, strömte ein Sonnenstrahl durch einen Spalt in meinen Gardinen, und direkt vor meinem Fenster vernahm ich ein wunderschönes kleines Lied. Es dauerte nicht lang, bis daraus ein ganzer Chor wurde. Ich hatte das Gefühl, als hätten die Vögel den ganzen Winter lang nur für mich geübt. Später am Morgen ging ich zum ersten Mal seit Beginn meines Experiments ohne Gummistiefel raus. Ich überlegte sogar, ob ich mein T-Shirt aus- und Shorts anziehen sollte. Nur eine Woche zuvor war mein Wohnwagen von Schnee bedeckt gewesen.
Beim Rundgang über den Bauernhof sah ich blühende Blumen: Schneeglöckchen, Rhododendren und Narzissen – für mich der Inbegriff des Frühlings – zeigten ihre Köpfe. Doch ich war beunruhigt, dass auch Wiesenschaumkraut und Wolfsmilch herauskamen, deren Blüte man normalerweise nicht vor März erwartet. Ich habe festgestellt, dass sie seit 2005 jedes Jahr etwas früher blühen. In der Natur sind wenige Wochen eine lange Zeit. Der Trend zur früheren Blütezeit ist ein Indikator für die Klimaveränderung.
Zum ersten Mal, seit ich mein Jahr gestartete hatte, kochte ich mein Abendessen an diesem Abend nach 18 Uhr, ohne meine Kurbeltaschenlampe benutzen zu müssen. Die Vorstellung, dass die Dinge einfacher werden würden, war fantastisch. Der Gedanke an die bevorstehenden längeren, wärmeren Tage bewirkte, dass ich mich wie neu fühlte, doch am meisten war ich gespannt auf den Beginn einer neuen Lebensmittelsaison. Ich liebe Wintergemüse, besonders Kürbis, Sellerie, violetten Brokkoli, Rüben, Steckrüben, Möhren und Pastinaken. Und welcher Ire ist kein Kartoffelfan? Diese Feldfrüchte haben einen erdigen Geschmack, sind nahrhaft und wärmen an einem kalten Winterabend. Doch es war Frühling, und ich konnte fühlen, wie Leben und Energie in meinen Körper zurückkehrten.
Ich wollte Lebensmittel, die meinen neuen Bedürfnissen entsprachen. Ich wollte nicht den Nährwert bei hohen Temperaturen aus meinem Essen herauskochen. Ich sehnte mich nach Rohkost. Zum Glück für mich beginnt im Frühjahr in Großbritannien die Rohkostsaison. Wenn man sich im Winter nicht mit importierter Ware zufriedengeben mag, bekommt man zu dieser Zeit kaum Grünzeug. Jetzt hatte ich wilde Brunnenkresse, wilden Knoblauch, Gurken und Salate wie Kopfsalat und Rucola. Das Leben schmeckte wieder wunderbar. Es ist ein Glück, dass die Natur uns Anfang März mit diesem Plus an Energie versorgt, denn der Frühling ist auf dem Land eine der arbeitsreichsten Jahreszeiten. Eine der ersten und wichtigsten Aufgaben ist, das Holz einzuholen.
Die Axt schwingen
Das Aufstocken des Feuerholzvorrats ist nicht das Erste, was den meisten in den Sinn kommt, wenn man an die Aufgaben denkt, die im Frühling erledigt werden müssen. Man lässt das kalte Wetter hinter sich, und der Holzofen macht eine wohlverdiente Pause.
Doch genauso wie man keine Lebensmittel im Herbst hat, wenn man im Frühling nicht sät, wird man kein warmes Heim haben, wenn man das Holz vor den heißen Sommermonaten nicht fällt und lagert. Damit Holz gut brennt, muss es abgelagert sein. Fällt man einen Baum, enthält das Holz viel Wasser – das merkt man, wenn man ein frisches Scheit hochhebt. Lässt man es im Frühjahr und Sommer trocknen, bedeutet das, dass man im Herbst recht anständiges Feuerholz hat. Wäre ich sicher gewesen, dass ich in mein altes Leben in der Stadt zurückkehren würde, sobald mein Jahr ohne Geld vorüber war, hätte ich mich darum nicht gekümmert. Dort würde ich das Holz nicht brauchen, da es strenge Vorschriften für das Abbrennen von Holz in der Stadt gibt. Doch zu Frühlingsbeginn hatte ich keine Ahnung, ob ich, wenn ich es bis Ende November geschafft hatte, auch danach weiterhin ohne Geld leben würde, also wandte ich das Vorsorgeprinzip an und holte das Holz für den Fall der Fälle.
Da die
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