Der Mann ohne Vergangenheit
Wer bin ich?“
Haven blickte zu Gaines hin.
„Ich denke, ich werde dies zu beantworten versuchen“, warf der Staatssekretär ein. „Aber es gibt keine richtige Antwort darauf. Als Sie damals vor fünf Jahren das Flußufer hinaufkrochen, hielten Sie etwas mit der Hand umklammert – das da.“ Er reichte Alar ein kleines in Leder gebundenes Buch.
Der Dieb musterte es neugierig. Es zeigte Wasserflecken am Einband, und die Seiten hatten sich beim Trocknen verzogen und gewellt. Der Einband trug eine Goldinschrift:
Logbuch der T-22
Als er Gaines’ Augen suchte, atmete er beträchtlich schneller. Aber der Staatssekretär sagte lediglich: „Schauen Sie hinein.“
Alar schlug den Einband auf und las die erste Eintragung:
„,21. Juli 2177 …’“
Seine Augen zogen sich zusammen. „Das ist nächste Woche. Das Datum ist falsch.“
„Lesen Sie die ganze Eintragung“, forderte ihn Haven auf.
„,21. Juli 2177. Das ist meine einzige Aussage, denn ich weiß, wohin ich mich begebe und wann ich zurückkehre. Es gibt wenig zu sagen und als möglicherweise der letzte Mensch habe ich keine Lust, etwas zu sagen. In ein paar Minuten wird die T-22 mit Überlichtgeschwindigkeit fliegen. Unter weniger tragischen Umständen wäre ich äußerst interessiert, die unglaubliche Evolution zu verfolgen, die an meinem Begleiter bereits eingesetzt hat.’“
Das war alles.
„Das übrige Buch ist leer“, sagte Haven nach kurzer Zeit.
Alar fuhr sich mit entnervten Fingern durchs Haar. „Willst du behaupten, daß ich der Schreiber dieser Zeilen bin? Daß ich an Bord des Raumschiffes war?“
„Du warst an Bord oder auch nicht. Wir sind uns jedoch sicher, daß diese lange Eintragung nicht von dir stammt.“
„Von wem dann?“
„Von Kennicot Muir“, erwiderte Gaines. „Seine Handschrift ist unverkennbar.“
13
Der Besucher von den Sternen
Alars Augen öffneten sich eine Spur weiter und hefteten sich wie die eines Habichts auf den Staatssekretär für Weltraumangelegenheiten. „Wie“, fragte er, „können Sie so sicher sein, daß ich nicht Kennicot Muir bin?“
„Muir war größer. Weiterhin sind die Fingerabdrucke, die Augenkapillaren, die Pupillenfarbe, der Bluttyp, das Alter und die Zahn- und Skelettmerkmale anders. Wir haben diese Punkte in der Hoffnung, Obereinstimmungen zu entdecken, sorgfältig überprüft. Es gibt keine. Wer auch immer Sie sind, Kennicot Muir sind Sie nicht.“
„Und dennoch …“ warf Alar mit einer Grimasse ein, die beinahe einem Grinsen glich. „Ist das wirklich ein endgültiger Beweis?“
„Wieso – was meinen Sie damit?“ Gaines war ehrlich erstaunt. Havens Augen waren beinahe völlig in Gedanken versunken gewesen, jetzt riß er sie weit auf.
„Es sieht so aus“, sagte Alar, „daß die Reise einige höchst merkwürdige Veränderungen bewirkt haben könnte. Ist es nicht möglich, daß – als Muir – mein Körper verzerrt wurde? So weit, daß ich ein perfekt getarnter Kennicot Muir bin? So gut getarnt, daß ich mich nicht einmal selbst erkenne?“
Gaines’ Mund öffnete und schloß sich mehrere Male, ehe er antwortete. „Ich halte das für unmöglich.“
„Vielleicht nicht unmöglich“, sagte Haven langsam, „aber sagen wir unwahrscheinlich. Nichts spricht für diese Theorie außer der Tatsache, daß dadurch eine Menge verwirrender Fragen beantwortet würden.“
„Nun also“, fuhr Alar fort und wandte sich von Gaines an Haven und dann zu Gaines zurück. „Was ist mit dem Mikrofilmgehirn?“
„Das Gehirn?“ wiederholte Gaines und rieb sich das Kinn. „Sie glauben, Muir könnte das Gehirn sein?“
„Ja, ich halte es für durchaus möglich.“
Gaines gluckste. „Wenn das wahr wäre, würde es eine sehr, sehr faszinierende Entwicklung sein. Unglücklicherweise ist es nicht wahr. Die einzige Ähnlichkeit zwischen Gehirn und Muir liegt in der Körpergröße. Derartige Untersuchungen hat es mehrfach gegeben – die Möglichkeit ist verworfen worden.“
„Untersuchungsbeamte können bestochen werden“, meinte Alar. Er streckte die Finger über den Vorderteil der Sesselarmstützen, betrachtete sie kurz und blickte dann zu den zwei Älteren zurück. „Aufzeichnungen können vernichtet oder gefälscht werden. Tatsachen lassen sich verbergen.“
„Das mag stimmen“, sagte Gaines kurz und bündig. „Aber ich weiß persönlich, daß das Mikrofilmgehirn schon lange vor dem Verschwinden Muirs existierte. Natürlich nicht als das Gehirn an
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