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Der Mann von Anti

Der Mann von Anti

Titel: Der Mann von Anti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ekkehard Redlin (Hrsg)
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wohl hoffentlich nicht: Rachen) der würfelförmigen Sphinx einzuführen, den Schalter zu betätigen und sogleich mit aufkeimendem Unbehagen internes Rasseln und Knarren zu vernehmen. Um das Handgelenk schnappt eine Stahlklammer, zwar gummigepolstert, doch den vorzeitigen Abbruch des Experimentes verhindernd: Und draußen: welch Sonnenschein! Welch fröhliches Wandeln und Schlendern – vorbei.
    Vor der Sauna amüsiert man sich besser, klingt tröstend im Ohr, und während sich etwas Rauhes, Poröses, unregelmäßig Geformtes unter die daktylischen Fühler schiebt, meint man, wo kleine Schrecknisse und Erschütterungen entstünden, müsse auch der ausgleichende Gegensatz, die kleine Freude, das geringe Vergnügen, lebendig sein. Unter den Fingerkuppen das, dieses Ding, eine Art antediluvialer Schwamm, bei welchem der Versteinerungsprozeß nicht ganz abgeschlossen scheint, weicher Stellen wegen, in die die Fingerspitzen haltlos eingehen, tief hinein, jetzt quillt Feuchtigkeit aus den Druckstellen, nasse Watte, und schon folgt Zackenbesetztes, fast Gläsernes, Zerbrochenes. Befürchtung, sich zu verletzen: Was, wenn gar die Pulsader? Am Kasten hängend, ins Innere verblutend. Und hat diese Puppe, die Kassiererin, nicht gleich so verdächtig gelächelt? Und wo sind die andern Besucher, die eben noch witternd und schnuppernd dort drüben gestanden, Herde verwirrter Geschöpfe, teils erheitert, teils angeekelt, wo sind sie, die zur Hilfe herbeieilen könnten, falls die katastrophischen Phantasien Wirklichkeit würden? Endlich gleitet anderes, unter die empfindsamen Kuppen: glatt und schwabblig, eine Oberfläche wie Haut ohne Poren, klebrige Partien, dann Borsten, was kann das bloß sein, und nun regt das Ganze sich auch noch selbsttätig, hebt sich, senkt sich, als atme es erregt, als wolle es aus dem Blechkasten heraus, die nur taktile Bekanntschaft mit dem Außenstehenden enger und inniger zu gestalten. Erlösung: die Fessel klappt auf, es meldet ein kurzer Klingelschlag das Ende der Vorführung. Mit Taschentuch und Speichel die unsichtbar beschändete Hand gesäubert, Aufklärung an der Leuchttafel (siehe Pfeil) über das Ertastete erwartend: nichts leuchtet auf, nichts wird erkennbar erhellt. Enttäuschte Faustschläge bringen keine Erkenntnis zustande. Der Apparat behält sein Geheimnis für sich.
    Man müßte sich das Eintrittsgeld zurückzahlen lassen, hätte man welches bezahlt. Skandal: nach so viel Ekel möchte man wenigstens wissen, was ihn bewirkt. Immerhin soll man sich vor der Sauna besser amüsieren, das möchte man sich auch ausgebeten haben!
    Von der Halle führen strahlengleich Gänge rings ins Gebäudeinnere; über den gewölbten Portalbögen, deren massive Eichentüren die Gänge zur Halle hin abschirmen, bezeichnen römische Ziffern und Frakturschriften die Charakteristika der jeweiligen Exponatgruppen. I. Homo ludens, II. Homo familiaris, III. Homo criminalis und so weiter und so fort, und eintretend, steht man in einem langen, dämmrigen Korridor, rechts und links in regelmäßiger Reihenfolge von Zimmern flankiert, die Türen durch schallschluckendes Panzerglas ersetzt, einseitig beschichtet, so daß man hineinsehen, von drinnen aber nicht erblickt werden kann. Gemächliches Dahinwandeln mit den andern Besuchern vorbei an den Scheiben, an dieser oder jener verharren, dahinter Tische, umgeben von Objekten, hier Spielkarten austeilend, eine Karte zum Auge heben, sie lautlos hinwerfend: Aufnehmen, Heben, Ansehen, Ablegen und wieder dasselbe im gleichen Rhythmus vollzieht sich im Kreise der Objekte asynchron, womit der Eindruck lebhafter Bewegung täuschend nachgeahmt ist, vermutlich verursacht durch ein System kommunizierender Leitungen unter dem tief herabzipfelnden Tafeltuch. Handelt es sich bei dieser Gruppe nun um den Homo ludens oder um den Homo familiaris oder um den Homo criminalis oder gar um eine Synthese aus allen drei Bereichen: Falschspiel kommt selbstverständlich auch innerhalb der Familie vor. Die Miene der Objekte verrät nichts vom Spielmotiv; mochte also das pausenlos aktive Tableau den inneren Frieden glücklichen Familienlebens demonstrieren; man hatte beim Betreten des Ganges nicht auf Ziffer und Bezeichnung geachtet und zahlte nun den Preis fürs eigene Unwissen, indem man ratlos zwischen den andern stand und auf die betriebsamen Objekte glotzte, auf ihr Billardspiel, unhörbar klikkende Bälle, Queus senken sich, heben sich, stoßen zu; eine wachsblasse Hand malt Zahlen auf eine

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