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Der Mann von Anti

Der Mann von Anti

Titel: Der Mann von Anti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ekkehard Redlin (Hrsg)
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lächeln. Scherua streckte zögernd den Kopf hervor. Fürs erste drohte offenbar keine Gefahr. Der Atem ging wieder gleichmäßiger.
Jetzt – o je! – streckte die Göttin langsam die Hand nach ihr aus. Nun würde man sie wohl besehen und prüfen, zu welcher Arbeit sie taugte. Ob die Hand so hart sein würde wie die ihrer ehemaligen Herren?
Doch da begann die Unsterbliche sie sanft zu streicheln. Sie sagte auch etwas, aber Scherua verstand sie nicht. Und nach einer Weile fürchtete sie sich nicht mehr. Vielleicht konnte ihr die Unsterbliche eine Bitte erfüllen?
Diese hielt indes ihr Handgelenk und sah auf ein kleines Medaillon an ihrem Arm. Scherua glaubte ein leises Geräusch von dort zu hören. Ja, es wisperte kaum vernehmbar. Mit wem hielt die Göttin Zwiesprache? Dann bedeutete ihr die Unsterbliche durch Zeichen, sie möge sich umdrehen. Das Mädchen spürte die Finger über jene Stellen gleiten, an denen die Peitsche ihre Spuren hinterlassen hatte. Offenbar wurde ein linderndes Öl darübergestrichen, denn der schwache Schmerz ließ rasch ganz nach.
Scherua wollte der Göttin danken, brachte aber kein Wort hervor. Nach einiger Zeit zog sie die Decke noch mehr über sich, weil ihr kühl wurde. Natürlich las die Unsterbliche ihre Gedanken, denn sie erhob sich, trat zur Wand – und wieder ein Wunder, diese öffnete sich vor ihr! Als sie sich umwandte, lag ihr eine zweite Decke über dem Arm. Nun brauchte Scherua nicht zu frieren, und zutiefst zufrieden schloß sie die Augen. Wie schön war es doch, müde zu sein, wenn man schlafen durfte…
    Als die Göttin zur Tür hereinkam, erschrak Scherua nicht mehr. Etwas wie Freude, wenngleich gepaart mit viel Scheu, überkam sie. Wieder setzte sich die Unsterbliche neben sie, faßte nach ihrer Hand und blickte nebenher auf das Medaillon. Das Mädchen schaute ebenfalls hin und bemerkte ein feines Fädchen, das darin tanzte und zitterte.
    Nun ja, eines der göttlichen Geheimnisse, die Sterbliche nie ergründen!
Die Göttin half ihr beim Aufstehen – Scherua fühlte sich noch unsicher auf den Beinen – und stützte sie beim Gehen. Schließlich aber stand sie allein und konnte ohne Hilfe die Füße setzen.
Wieder begab sich die Unsterbliche zu jener Wand, die sich vor ihr öffnete. Sie winkte das Mädchen heran und zeigte ihr, was sie herausgenommen hatte. Es war ein hemdartiges Gewand aus gelbem Stoff mit roten Kanten und einem kaum erkennbaren Webmuster. Das Gewebe war derart fein und weich – Scherua fürchtete sich geradezu, es anzuziehen. Danach aber gefiel es ihr sehr gut. Sie sagte der Göttin schüchtern Dank, was diese lächelnd überging.
Einige Augenblicke später verließ die Unsterbliche sie, kehrte aber sofort zurück und brachte ihr einen Becher aus einem weißlichen Stein – einem sehr leichten Stein freilich. Das Mädchen nippte an dem warmen Getränk. Es war ihr unbekannt, schmeckte aber gut. Alsbald fühlte sie sich viel wohler.
In dem Maße, wie sie satt wurde, wuchs ihr Mut; indes wurde er nicht eben groß. Er hätte von einer Flaumfeder aufgewogen werden können. Sie schaute sich nun gründlicher in ihrem Zimmer um und betastete zuerst ihr Lager. Es glänzte silbrig und sah beinahe wie Eisen aus – aber Eisen war unbezahlbar. Außerdem war es so leicht, daß sie das Bett ein wenig verschob, als sie sich dagegenlehnte.
Dazu kam das seltsame Becken aus einer Art weißem Stein – offenbar aus einem einzigen Stück gemeißelt und geschliffen, an dem metallene Geräte hingen und blitzten. Scherua machte einen weiten Bogen darum.
An der Wand über diesem merkwürdigen Etwas hing ein Spiegel. Scherua erschrak ein wenig. Natürlich kannte sie Spiegel von Hofdamen, aber sie waren nie so groß. Freilich, bei den Göttern gab es das, dafür waren sie auch allmächtig.
Sie schaute hinein und zuckte zusammen. Wie sah sie aus! Die Haare struppig, die Sklavennarbe flammendrot und nicht zu übersehen! Furchtbar! Die Göttin bemerkte ihren erschreckten Blick und führte sie in ein anderes Gemach. Hier sah es noch fremdartiger aus. Überall blinkte silbriges Metall, furchtsam wich sie zur Seite. Die Unsterbliche streifte ihr das Gewand ab und gab ein Zeichen. Plötzlich regnete frisches Wasser auf sie herab. Niemand war zu sehen, und doch… Selbst in Ninive am großen Tigris war Wasser kostbar gewesen, nur selten floß es rein und klar.
Nach einer Handbewegung der Göttin wurde das Wasser sogar warm. Scherua sah sich unsicher um. Dann aber genoß sie das so lang

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