Der Mann von Anti
Kurs und gilt seitdem als verschollen.«
»Verschollen?« Er lächelte wie einer, der es besser weiß. Einen Moment schien er unsicher, ob er weitersprechen oder schweigen soll. Schließlich neigte er sich zu mir herüber. »Ich werde Ihnen einen Tip für Ihr Buch geben!«
Natürlich war ich ganz Ohr. Er rückte näher und flüsterte: »Die Rakete wurde von einem Raumschiff der Bellatrixer gekapert. Sie hatten sich unserem Sonnensystem genähert. Rein zufällig, auf der Durchreise. Plötzlich orteten sie einen Flugkörper. Mit Recht mißtrauisch – wer vermutet schon in dieser galaktischen Einöde noch einen bewohnten Planeten? –, beschlossen sie, den Dingen auf den Grund zu gehen. Und da haben sie unsere Rakete erst mal…« Seine Hand strich einnehmend über den Tisch. »Sie waren dann auf der Erde und haben sich das Treiben hier angesehen. Niemand hat es bemerkt, denn sie sind von Gestalt ganz menschenähnlich. Bald aber verließen sie den irdischen Raum. Manches wird ihnen bei uns nicht zugesagt haben, verglichen mit ihrer eigenen Welt.«
Er lehnte sich zurück und blickte mich abwartend an.
»Steht das etwa in den Berichten?« fragte ich ungläubig.
»Nein«, antwortete er kurz.
Machte er sich mit der ernstesten Miene über mich lustig? Schon hatte ich eine Antwort bereit, die ihm zeigen würde, daß ich mich nicht hinters Licht führen lasse, als ich bedachte, was ich von ihm wollte, nämlich die bewußten Buchfilme.
»Ihre Phantasie ist bewundernswert«, sagte ich deshalb nur.
Daß ich dabei zweideutig lächelte, entging ihm nicht. Hektische Röte färbte sein hageres Gesicht. Er entgegnete scharf: »Die Phantasie ist das dritte Auge des Menschen, es reicht bis in fernste Fernen. Wer weiß das schon? Die meisten sind blind auf diesem Auge. Völlig blind!«
Er sprang auf und ging mit kurzem, frostigem Gruß. Verdutzt und erschrocken über seine Heftigkeit, sah ich ihm nach. Von den Buchfilmen war nun nicht mehr die Rede gewesen.
Ein paar Tage später aber brachte er mir die Filme. Erfreut bedankte ich mich für diese Aufmerksamkeit. Wir kamen wieder ins Gespräch. Er schien einen guten Tag zu haben, ich erfuhr mehr von ihm.
Wie ich vermutet hatte, gab es niemand, zu dem er in näherer Beziehung stand. Ich fragte ihn, warum er sich nicht ein wenig unter den Töchtern des Wohnturms umsehe, das sei doch für einen recht ansehnlichen jungen Mann ganz natürlich.
Er winkte nur ab, und als ich mir die Bemerkung nicht verkneifen konnte, ob er etwa auf eine Sternenjungfrau warte, traf mich ein unwilliger Blick.
Nach getaner Arbeit und nach dem Abendessen zog er sich meist in sein Kleinappartement zurück, saß bei schönem Wetter im Garten, bis der gestirnte Himmel über ihm stand.
Nächte lang las er. Geschichten von kosmischen Abenteuern. Mit glänzenden Augen erzählte er mir von den gedankenschnellen Raumflotten der »Guten Hirne«, vom Stern der ewigen Schönheit, von der Supersphäre der intelligenten Kristalle und von jenem Unglücklichen, der wegen nicht getilgter Schuld als Fliegender Holländer des Alls ruhelos durch die Unendlichkeit schifft.
Vielleicht hatte ich zu alldem kaum merklich den Kopf geschüttelt. Er verstummte plötzlich und ließ mich stehen. So geschah es noch öfter, wenn wir uns trafen. Er duldete nicht den geringsten Zweifel an seiner imaginären Welt, die für ihn Wirklichkeit war.
Lange Zeit sah ich ihn dann nicht. Ich glaubte schon, er habe eine andere Beschäftigung gefunden und den Wohnturm verlassen, als er mir zufällig wieder begegnete.
Fast hätte ich ihn nicht erkannt. Er schien gänzlich verändert. Hatte er sich früher nachlässig gekleidet, so verriet sein Anzug jetzt peinliche Sorgfalt. Er war auch voller geworden, auf dem Gesicht zeigte sich keine Spur mehr von träumerischer Versunkenheit.
»He, Adam!« rief ich ihn an. »Ich sah Sie ja eine Ewigkeit nicht. Sind Sie fortgezogen, oder waren Sie verreist?«
Wir schüttelten uns die Hand. Wie kraftvoll er zupackte!
»Ich wohne jetzt im 305. Ring«, sagte er. »Mein Appartement war zu klein geworden. Und die Kinder brauchen nun auch Platz.«
»Kinder? Gratuliere, Adam! Wie ist denn das passiert?«
Er lachte. »Wie’s eben passiert.«
Ich fand aus dem Staunen nicht heraus. »Dazu gehört doch eine Frau. Etwa eine von den… Bellatrixern?«
»Beinahe«, verriet er mit pfiffigem Blinzeln.
»Adam, Sie wissen, ich bin sehr neugierig. Und in Ihrem Fall ganz besonders.«
Nach kurzem Überlegen zog er mich mit sich. »Sie haben
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