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Der Mann von Anti

Der Mann von Anti

Titel: Der Mann von Anti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ekkehard Redlin (Hrsg)
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wollte Ihr Sprößling dem lieben Papa seinen Gedankenleser vorführen?«
»Heute abend«, stöhnte Brooker und starrte mit aufgerissenen
Augen ins Leere.
»Dann würde ich an Ihrer Stelle doch mal nachsehen. Sicher
hat er das hübsche Ding schon irgendwo in seinen Zimmern.« Brooker rührte sich nicht. Timothy stand leise auf, nahm die
Flasche vom Tisch, hüllte sie in ein Bernhardinerfell, das er
ungeniert von der Wand nahm, und drückte auf den Knopf, der
Patton herbeirief. Dann ging er auf Zehenspitzen zur Tür. Als
Patton öffnete, legte Timothy einen Finger auf seine Lippen
und schlich sich hinaus. »Schnell weg, bevor er es sich noch
anders überlegt«, sagte er.
Als der Helikopter die Klimasphäre durchstoßen hatte und
Brookers Schloß unter der milchigen Halbkugel verschwunden
war, seufzte er. »Ade, Urlaub unter alten Bäumen und blauem
Himmel.«
Patton knetete seine Finger.
»Wann haben Sie Geburtstag, Harold?«
»Am dritten Januar.«
»Dann nehmen Sie es, wie Sie wollen, als verspätetes oder als
verfrühtes Geburtstagsgeschenk«, sagte Timothy und schlug
das Fell auseinander. »Es ist doch die richtige?«
Patton brachte kein Wort heraus. Er starrte auf die Flasche
mit den kleinen blauen Kugeln.
»Oder nehmen Sie es als ein Abschiedsgeschenk Ihres bisherigen Chefs. Aber verlangen Sie nicht noch Ihr letztes Gehalt.
Wenn es irgend etwas gibt, das er auf den Tod nicht ausstehen
kann, so sagte Brooker vorhin, dann sind es Erpresser.«

KORREKTUR
Günther Krupkat
Bazillus phantastikus oder Die Nixe mit dem Hackebeil
    Adam lebte im Wohnturm vier. Er war dort als Mitarbeiter der zentralen Filmothek beschäftigt. Obwohl noch jung – kaum dreißigjährig –, gewiß nicht unintelligent und von angenehmem Äußeren, schien er weder Freunde noch Freundinnen zu haben. Stets ging er nachdenklich seiner Wege und mied Kontakte mit den anderen Bewohnern trotz der vielfältigen Gelegenheiten, die gerade das Leben im Wohnturm dazu bot.
    Wohntürme begann man damals überall zu bauen. Der Platz auf Erden war kostbar geworden, nachdem die Erdbevölkerung die 10-Milliarden-Grenze überschritten hatte, und die Turmbauweise erlaubte es, daß auf einem Quadratkilometer zehnmal mehr Menschen besser, bequemer und gesünder leben konnten als in den alten Städten mit ihrer riesigen horizontalen Ausdehnung.
    Wohnturm vier hatte eine Höhe von 1 500 Metern und 500 Ringe oder, wie man früher sagte, Etagen. Mit jedem dieser Ringe verjüngte sich das Bauwerk nach oben um die Breite der kleinen Gärten, die allen Wohnungen vorgelagert waren, so daß es eher einer Stufenpyramide glich, wenn man es von weitem sah.
    Im Innern des Turms lagen Produktionsstätten, Versorgungsund Kultureinrichtungen, Schulen, Kliniken, kurz alles, was für eine Stadt vonnöten ist. Und niemand brauchte für seine täglichen Wege mehr als zehn Minuten Zeit.
    Ich wohnte im selben Ring wie Adam. Oft sah ich ihn, wenn er mit dem Expreßlift zur Arbeit fuhr, von der Arbeit kam oder im Ringrestaurant seine Mahlzeiten einnahm.
    Eines Tages ergab es sich, daß ich im Restaurant gerade noch einen Platz an Adams Tisch fand. Von meinem Erscheinen nahm er kaum Notiz. Nur dem Braten, den ich bestellt hatte, galt ein flüchtiger Blick deutlichen Widerwillens. Er aß vegetarisch.
    Möglich, daß er die Abneigung gegen das Fleischgericht auf meine Person übertrug, jedenfalls schien er nicht geneigt, sich in ein Gespräch mit mir einzulassen. Ob ich die gesunde Mittelgebirgslage unseres Wohnrings lobte, die ständigen Umleitungen im Rollbahnverkehr verklagte oder ein neues Stück des Theaters im 203. Stock verriß, stets blieb er zurückhaltend, einsilbig.
    Erst als ich mich seiner Tätigkeit bei der Filmothek entsann und beiläufig bemerkte, daß ich für meine Arbeit ein paar Buchfilme benötige, die jedoch nirgends aufzutreiben seien, hob er den Kopf und blinzelte mich forschend an.
    »Wozu brauchen Sie die Buchfilme?« fragte er. »Es sind Berichte zum Fall Bellatrix.«
Ich sagte ihm, daß ich ein Buch über diesen Orionstern vorbereitete und dazu eben die erwähnten Berichte einsehen möchte. Unverständlich war mir allerdings, warum er in diesem Zusammenhang recht geheimnisvoll von einem »Fall« sprach.
»Sie wissen also, daß eine Erkundungsrakete vor Jahren zur Bellatrix gestartet wurde«, stellte er grübelnd fest. »Ihre Besatzung bestand aus Biomaten.«
»Freilich. Die Rakete kam aber nicht weit«, ergänzte ich. »Nach ein paar Lichtwochen geriet sie außer

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