Der Mann von Nebenan
Vermutlich ist es sowieso das, was er will: mir sein Wahnsystem aufzwingen. Mich dazu bringen, daß ich ebenso widerlich, menschenfeindlich und unglücklich werde wie er.«
»Und? Schafft er es?«
»Mache ich diesen Eindruck auf dich?«
»Na ja, besonders glücklich wirkst du nicht.«
»Bin ich auch nicht«, gab Kate zu. »Unterschwellig bohrt da immer diese Wut in mir und das Gefühl, daß ich nichts tun kann. Besonders schlimm ist es, seit ich die Schachtel und die Fotos gefunden habe. Ich fühle mich so ausgeliefert.«
»Das mußt du unbedingt ändern. Du mußt raus aus der Defensive, die Sache in die Hand nehmen.«
Annette stand auf und holte ein Blatt Papier und einen Kugelschreiber.
»Hier. Schreib alles auf, was du über ihn weißt. Name, Alter, Herkunft, Beruf, frühere Wohnorte und so weiter.«
Kate sah sie zweifelnd an.
»Ist das irgendein Zauber, Voodoo oder so? Das funktioniert bei dem nicht, das hat meine Nachbarin schon ausprobiert.«
»Quatsch, Voodoo«, sagte Annette heftig. »Ich werde Peter bitten, einen Blick in den Polizeicomputer zu werfen. Vielleicht finden wir was.«
»Ist denn das rechtmäßig?« Kate machte große Augen.
Annette lachte. »War es rechtmäßig, die Katze umzubringen? Die Fotos zu machen?«
Kate winkte ab. »Schon gut!« Sie zückte den Kuli und begann zu schreiben.
Wenig später belauschte Kate das Telefongespräch zwischen Annette und ihrem Mann. Offenbar sträubte er sich, Annette den Gefallen zu tun, denn sie redete mit Engelszungen auf ihn ein.
»Nein, ich erzähle niemandem davon … ja, ja, ist doch klar … nein, wahrscheinlich ist es eh eine Spinnerei … vielleicht hilft es ihr … jetzt komm, laß mich nicht im Stich … ja, ich weiß, aber es ist doch nur …«
Es war Kate unangenehm. Schnell verließ sie das Zimmer, um nicht weiter Zeugin dieser Unterhaltung zu sein. Endlich tauchte Annette wieder auf.
»Na also, warum nicht gleich«, sagte sie.
»Wie hast du ihn überredet?« wollte Kate wissen.
»Nicht überredet. Überzeugt! Die Aussicht, die nächsten vier Wochen ohne ehelichen Sex zu leben, ist der Einsichtsfähigkeit von Männern immer noch äußerst zuträglich.«
Kate schüttelte lachend den Kopf. »Du bist unmöglich!«
Sie glaubte zwar nicht, daß bei dieser Aktion irgend etwas herauskommen würde, aber allein das Gefühl, daß jemand etwas unternahm, um ihr zu helfen, war tröstlich.
Kate hatte beschlossen, noch eine Nacht dranzuhängen, nachdem Malise sie am Telefon davon überzeugt hatte, daß alles in Ordnung sei.
Am Abend tauchte Peter mit einigen Computer-Ausdrucken auf. Er legte sie auf den Küchentisch und verschwand eilends, als wolle er dokumentieren, daß er mit dieser Sache nichts zu tun habe. Annette grinste Kate vielsagend an.
Als die Kinder endlich im Bett waren, stürzten sich die beiden auf die Papiere. Sie lasen in den Dossiers und versuchten, die Daten mit den wenigen Informationen in Übereinstimmung zu bringen, die Kate über Mattuschek beitragen konnte.
»Was ist mit dem hier?« fragte Annette und reichte Kate ein Blatt. Sie warf einen Blick darauf.
»Zu alt. Er ist höchstens Anfang Sechzig. Der da ist 1928 geboren.«
»Unglaublich, was der hier alles angestellt hat!« ereiferte Annette sich wenig später. »Er stand mindestens zwanzigmal wegen Betrugsverdachtes vor Gericht. Nur einmal konnten sie ihm was nachweisen, und dann wurde das Urteil wegen eines Verfahrensfehlers aufgehoben.«
Zunehmend fasziniert vertieften sich die Frauen in die Lebensgeschichten dieser ihnen fremden Männer, die nur etwas gemeinsam hatten: Sie hießen Wilfried Mattuschek und waren irgendwann mit dem Gesetz in Konflikt gekommen.
»Woher kommt der Name Mattuschek eigentlich?« fragte Kate.
»Der ist tschechisch, glaube ich«, murmelte Annette. Sie hielt zwei Blätter in der Hand. »Schau mal, der hier könnte es doch sein!«
»Gib her.«
Kate nahm die beiden Blätter und las sie sorgfältig durch. Dann hob sie den Kopf.
»Das ist er!« sagte sie aufgeregt. »Und jetzt kapier’ ich auch, bei welcher Gelegenheit er an meine Sachen gekommen ist!«
Gegen Mattuschek war vor zehn Jahren ermittelt worden. Er war Angestellter einer Firma für Alarmanlagen gewesen, die ins Visier der Polizei geraten war, weil aus Wohnungen und Häusern prominenter Kunden persönliche Gegenstände gestohlen worden waren.
»Na klar, ich erinnere mich«, sagte Annette und schlug mit der Hand gegen ihre Stirn. »Bernd und du, ihr habt doch
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