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Der Mann von Nebenan

Der Mann von Nebenan

Titel: Der Mann von Nebenan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelie Fried
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»deine verdammte Sturheit bringt dich noch mal um!«
    »Und wenn schon«, meinte Kate wegwerfend.
    Dann kniff sie die Augen zusammen und legte den Kopf schief.
    »Sag mal, wie kommt’s eigentlich zu dieser plötzlichen Großzügigkeit? Neulich machst du mir eine Riesenszene wegen Geld, das mir sowieso gehört, und jetzt willst du mir dein eigenes noch hinterherschmeißen?«
    Bernd hüstelte verlegen. »Ehrlich gesagt, es war nicht meine Idee.«
    »Hätte mich auch gewundert, Darling«, sagte Kate mit beißender Ironie in der Stimme.
    Es war Herbst geworden. Kate lief quer über ein abgemähtes Feld. Sie mochte es, wie die Stoppeln unter ihren Schuhen knisterten. Ein blaßblauer Himmel wölbte sich über den Feldern bis hin zu einem Waldstück vor ihr.
    Naja, er muß eben verschwinden.
    Der Satz war in der Luft hängengeblieben. Kate hatte ihn mit nach Hause genommen, er hämmerte in ihrem Kopf und ließ sie nachts nicht schlafen.
    Sie wünschte nichts sehnlicher, als daß Mattuschek verschwinden sollte. Sie empfand ihn wie ein Geschwür, wie eine gefährliche Wucherung, die immer größer wurde und immer mehr Raum in ihrem Leben einnahm. Sie haßte es, daß er ihr Denken ausfüllte bis in die kleinste Verästelung, daß kein Tag verging, an dem sie sich nicht stundenlang mit ihm beschäftigte.
    Ja, dachte Kate, ich wünsche ihm den Tod.
    Ich wünsche ihm den Tod.
    Blödsinn, dachte sie, du kannst niemanden umbringen. Du mußt versuchen, dich von diesem Haß zu befreien. Du darfst ihm keinen Raum mehr geben, keine Macht über deine Gedanken.
    Du kannst niemanden umbringen.
    Zu spät. Dieser Haß hat doch längst Besitz von deinen Gedanken ergriffen, seine Dämonen auf dich gehetzt, deine Seele vergiftet. Worauf wartest du noch? Anders wirst du niemals Frieden finden, das weißt du genau.
    Worauf wartest du noch?
    Kate lief einen Feldweg entlang, der direkt auf das Waldstück zuführte. Obwohl der Oktober dem Ende zuging, war es mild. Der Weg vor Kate war staubig. Einige Krähen flogen auf, als sie sich näherte. In der Ferne tuckerte ein Traktor. Weit und breit war keine Menschenseele zu sehen.
    Ein Geräusch hinter ihr ließ sie zusammenzucken. Sie drehte sich im Laufen um. Es war ein Rennradfahrer, der in hoher Geschwindigkeit in ihre Richtung fuhr. Er trug einen enganliegenden Renndreß, eine Sonnenbrille und einen Helm; er sah aus wie all die Radfahrer, die ihr ständig begegneten.
    Trotzdem war Kate plötzlich unruhig.
    Sie lief weiter, in Gedanken maß sie die sich verringernde Entfernung zwischen ihr und dem Radfahrer. Sie war jetzt kurz vor dem Wald; er mußte direkt hinter ihr sein, gleich würde er sie überholen.
    Sie hörte die Reifen auf dem Weg, das Geräusch der Pedale, den keuchenden Atem des Fahrers. Die Zeit verlangsamte sich, schien stehenzubleiben, wie damals bei ihrem letzten Rennen. Der Moment, in dem sie erwartete, den Radfahrer an sich vorbeifahren zu sehen, dehnte sich ins Unendliche.
    Plötzlich war er da. Als sei er unmittelbar ihren Gedanken entsprungen, sah sie das Gesicht des Mannes nur Zentimeter von ihrem entfernt. Ihre vor Schreck erstarrten Züge spiegelten sich in den Gläsern seiner Sonnenbrille. Er packte sie mit beiden Händen, stieß sie zu Boden und hockte in der nächsten Sekunde auf ihrem Brustkorb. Dann schlossen sich seine Hände um ihren Hals.
    Kate rang nach Luft. Die Welt um sie begann zu verschwimmen, feurige Räder drehten sich vor ihren Augen. Dazwischen sah sie die Fratze ihres Angreifers auftauchen und wieder verschwinden.
    Das war’s also, dachte sie, er bringt mich um. Gleich werde ich das Bewußtsein verlieren und sterben. Er wird mich liegenlassen und verschwinden, und irgendein Spaziergänger wird wieder eine tote Frau finden. Kate spürte, wie sie innerlich wegdriftete.
     
    Vielleicht lassen Sie es geschehen. Denken Sie mal drüber nach!
     
    Schlagartig war sie hellwach. Nein, diesmal würde sie es nicht geschehen lassen! Sie würde Samuel nicht alleine lassen! Kate zwang sich, die Augen zu öffnen. Sie nahm ihre gesamte Kraft zusammen und bäumte sich gegen ihren Widersacher auf.
    Der Mann, der nicht mehr mit ihrer Gegenwehr gerechnet hatte, lockerte für einen Moment seinen Griff; beinahe wäre es ihr gelungen, ihn zur Seite zu kippen. Aber gleich darauf hatte er wieder ihre Handgelenke gepackt. Mit aller Kraft preßte er sie auf den Boden. Wenigstens bekam Kate jetzt wieder Luft; mit jedem Atemzug kehrte die Kraft in ihren Körper zurück.
    Sie warf

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