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Der Mann von Nebenan

Der Mann von Nebenan

Titel: Der Mann von Nebenan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelie Fried
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ihm, sie behandelten ihn wie Luft. Den Gipfel der Heuchelei brachte Kate fertig, die begann, ihn wieder freundlich zu grüßen. Eines Morgens, als sie – immer noch lädiert – vor Malises Haustür trat, um die Zeitung zu holen, stand er unerwartet vor ihr. Anstatt ihn anzuschreien oder die Tür zuzuknallen, blieb sie demonstrativ stehen.
    »Guten Morgen, Herr Mattuschek«, grüßte sie und sah ihm direkt ins Gesicht.
    Er lief rot an, wich ihrem Blick aus und verschwand fluchtartig in seinem Haus.
    Gudrun bemühte sich, Kate und den anderen Frauen aus dem Weg zu gehen. Vorsichtig spähte sie aus der Tür, bevor sie das Haus verließ; mit gesenktem Blick huschte sie an ihnen vorbei, wenn sich eine Begegnung nicht vermeiden ließ. Alle vier Frauen straften sie mit Verachtung, in das sich eine Spur Mitleid mischte. Wer wußte schon, was er alles mit ihr anstellte?
    Einmal beobachtete Kate, wie Gudrun Samuel im Vorbeigehen die Wange streichelte. Auf Kate wirkte die Geste wie eine Entschuldigung; wie das Eingeständnis einer Mitschuld.
     
    Seit es den Plan gab, war Kate wie ausgewechselt. Sie strotzte vor Energie und Tatendrang, und ihre anfänglich nur aufgesetzte Heiterkeit wurde nach und nach echt. Irgendwann begann sie, sich so entspannt und souverän zu fühlen, wie sie sich nach außen hin gab. Die Gewißheit, ihren schlimmsten Feind bald loszusein, versetzte sie fast in einen Rausch.
    »Was ist denn mit dir passiert?« wunderte sich Franz über ihre Hochstimmung. »Hast du dich endlich mit deinem Nachbarn versöhnt?«
    »So ähnlich.« Kate lächelte.
    »Das wurde aber auch Zeit«, seufzte Franz erleichtert.
    Er griff nach Kate und zog sie an sich. »Wäre doch schade, wenn wir uns von so einem den Spaß verderben ließen.«
    Wie recht du hast, dachte Kate und ließ sich von ihm bereitwillig Richtung Wohnzimmercouch ziehen. Sekunden später waren sie ineinander verschlungen. Kate erlebte den Sex so intensiv wie lange nicht mehr.
    »Ich möchte unbedingt mit dir wegfahren!« sagte Franz danach, noch völlig außer Atem. »Nur wir zwei, irgendwohin, wo es schön ist.«
    Kate fuhr ihm mit der Hand durch die verstrubbelten Haare.
    »Mal sehen«, sagte sie unbestimmt. »Irgendwann vielleicht.«
    Im Moment hatte sie wichtigere Dinge vor.
    In den Köpfen von Kate und Malise formte sich ganz allmählich eine Vorstellung davon, wie ihr Plan in die Tat umzusetzen sei.
    Sie wußten, daß Zeit verstreichen müßte. Zeit, in der gewisse Dinge in Vergessenheit geraten würden. Zeit, die einen Zusammenhang zwischen bestimmten Ereignissen überdecken würde. Zeit, den Feind in Sicherheit zu wiegen, damit er ohne jeden Argwohn wäre, wenn seine Zeit abgelaufen sein würde.
    »Seht ihr, er hat aufgehört mit dem Terror«, stellte Inge eines Tages fest. »Sicher ist es ihm langweilig geworden. Nur gut, daß wir nicht die Nerven verloren haben.«
    Kate und Malise wechselten einen Blick. Sie waren überzeugt, daß die Ruhe trügerisch war. Unter Garantie brütete Mattuschek über neuen Gemeinheiten. Das war nicht das Ende, das war nur eine strategische Pause in diesem Stellungskrieg, der über kurz oder lang neue Opfer fordern würde.
    Tai-ai-ai-aime is on my side, oh, yes it is …, summte Kate leise vor sich hin.

FÜNFZEHN
     
    E s hatte lange gedauert, bis das unwirtliche, graue Übergangswetter aufgehört und sich in frostigklares Winterwetter verwandelt hatte. Richtig geschneit hatte es nur einmal, Anfang Dezember. Die dünne weiße Schicht war aber lange liegengeblieben und hatte der Landschaft etwas Unwirkliches verliehen.
    Kate hatte sich eine provisorische Werkstatt im Wohnzimmer eingerichtet. Für die nötigsten Werkzeuge hatte sie sich Geld geliehen; bei einem Holzhändler in der Schweiz hatte sie gerade so viel Holz bestellt, wie sie bezahlen konnte. Sie bemühte sich, wenigstens einige ihrer Aufträge zu erfüllen; die anderen Kunden mußte sie vertrösten. In einigen Fällen klappte es, manche zogen ihre Aufträge zurück.
    Sie arbeitete nun aushilfsweise in einem Sportgeschäft in der Kreisstadt, fuhr auf ihrem Auto das Werbeschild eines Fahrradherstellers spazieren und hatte alles zu Geld gemacht, was sie nicht dringend brauchte. Einen Großteil ihrer Kleider hatte sie an eine Secondhand-Boutique gegeben, Samuels altes Spielzeug auf dem Flohmarkt verkauft. Der Junge hatte angeboten, auf sein Taschengeld zu verzichten, und trug seit kurzem Zeitungen aus.
    Nein, dachte Kate, sie waren nicht auf Bernd und sein Geld

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