Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann von Nebenan

Der Mann von Nebenan

Titel: Der Mann von Nebenan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelie Fried
Vom Netzwerk:
zu sehr belasten«, widersprach Kate. »Ich sage ihm, ich wäre gestürzt.«
    Sie überlegte kurz, dann willigte sie in Malises Vorschlag ein.
     
    Endlich wurde Samuel aus der Klinik entlassen. Sein Anblick trieb Kate die Tränen in die Augen. Er schien kleiner und dünner als je zuvor, das, was von seinen Locken nicht versengt worden war, war bis auf wenige Millimeter abrasiert, sein Körper war übersät mit Brandnarben, zwei davon, in seinem Gesicht, würden für immer sichtbar bleiben.
     
    Italien. Der erste Familienurlaub am Meer. Samuel ist zwei; hingebungsvoll buddelt er Löcher und schiebt seinen Spielzeugbagger mit lautem »Brumm, brumm« durch den Sand. Kate liegt in der Sonne und schaut ihm zu, neben ihr Bernd, in ein Magazin vertieft. »Cooooco, Coooco, Melone, Ananas« ertönt der Ruf des fliegenden Händlers, der seinen Bauchladen mit Früchten unermüdlich den Strand entlangschleppt.
    Samuel läßt seinen Bagger im Stich, läuft auf den Mann zu und ruft: »Millione, Millione!« Der Mann lacht, seine weißen Zähne blitzen im dunkelbraun gebrannten Gesicht. Er reicht dem kleinen, blondgelockten Jungen ein Stück Wassermelone.
    »Ché bello biondo!« ruft er aus, »é un angelo caduto dal cielo!« Ein Engel, der vom Himmel gefallen ist.
    Samuel beißt in die Melonenscheibe, daß ihm der rote Saft über Brust und Bauch läuft. Kate kramt ihren Geldbeutel aus der Strandtasche, der Verkäufer winkt ab. »É un angelo«, wiederholt er und stapft weiter.
    Samuel kommt auf Kate zugelaufen, wirft sich ihr, melonensaftverklebt, in die Arme und murmelt verzückt: »Millione!« Das rotblonde Haar wird von der Sonne in einen Lichtkranz verwandelt, der seinen Kopf umrahmt.
     
    Als Kates Gesicht abgeschwollen und ihre Wunden einigermaßen verheilt waren, traf sie sich mit Olga.
    »Ich möchte, daß du alle Aktivitäten gegen Mattuschek einstellst und nur noch auf das reagierst, was von ihm kommt, und zwar so entgegenkommend wie möglich«, forderte sie ihre Freundin auf.
    »Was ist passiert?« erkundigte Olga sich überrascht.
    »Ich habe beschlossen, von meiner Seite alles zu unterlassen, was den Streit zum Eskalieren bringen könnte«, erklärte Kate. »Ich muß mit dem Mann die nächsten Jahre leben. Vielleicht gibt er auf, wenn er keinen Widerstand mehr spürt.«
    Olga betrachtete Kate zweifelnd. Dann fragte sie: »Glaubst du eigentlich, daß er etwas mit dem Feuer zu tun hat?«
    »Glaubst du es?« fragte Kate zurück.
    Olga wiegte den Kopf. »Meine Erfahrung zeigt, daß fast alle Menschen zu fast allem fähig sind. Ich habe nicht mehr sehr viel Vertrauen in das sogenannte Gute im Menschen. In meinen Augen könnte er es gewesen sein. Aber wir werden das niemals mit Sicherheit wissen.«
    Kate hatte inzwischen den Abschlußbericht der Polizei bekommen, in dem es hieß, daß Brandstiftung nicht eindeutig nachgewiesen werden konnte. Sie war nicht mal enttäuscht gewesen. Sie hatte nichts anderes erwartet.
    »Also, glaubst du es?« wiederholte Olga.
    »Ach, weißt du, irgendwie kann ich es mir nicht vorstellen«, sagte Kate mit sanfter Stimme, »er ist eine Nervensäge, das schon. Aber er ist auch feige. Ich glaube nicht, daß er den Mut hätte, so etwas zu tun.«
    »Dein Wort in Gottes Ohr. Denn wenn er den Schuppen angesteckt hat, ist er auch zu Schlimmerem fähig; dann würde ich allmählich Angst um dich kriegen.«
    Olga überlegte kurz, dann schien ihr ein neuer Gedanke zu kommen. »Weißt du, wenn wir ihn tatsächlich mal ins Leere laufen lassen, anstatt immer Kontra zu geben, vielleicht nehmen wir ihm damit den Wind aus den Segeln«, überlegte sie. »Ich ziehe den Einspruch gegen das Flötenurteil zurück, einverstanden?«
    Kate nickte, sie war zufrieden. Olga hatte ihr den Sinneswandel offenbar abgenommen. Es war wichtig, daß überall der Eindruck entstand, die Nachbarschaftsfehde habe sich entschärft.
    Wann immer im Dorf die Sprache auf den Streit mit ihrem Nachbarn kam, gab Kate sich versöhnlich. Doch, doch, sie hätte durchaus Verständnis für seine Beschwerden; der Flötenunterricht sei wahrhaftig kein Labsal für sensible Ohren, und der Schuppen sei eindeutig über seinen Grund gebaut gewesen.
    Der unerwartete Schmusekurs seiner Kontrahentin schien Mattuschek tatsächlich aus dem Konzept zu bringen. Immer wieder lungerte er ohne ersichtlichen Grund in seinem Garten und auf dem Gemeinschaftsgrund herum, so als warte er auf igendeine Reaktion von ihr.
    Malise, Rita und Inge nahmen keine Notiz von

Weitere Kostenlose Bücher