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Der Mann von Nebenan

Der Mann von Nebenan

Titel: Der Mann von Nebenan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelie Fried
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angewiesen!
     
    Ende Januar war Tim auf die Welt gekommen. Kate konnte sich nicht vor einem Besuch bei Bernd und Ramona drücken – zu dringend hatte Samuel sich gewünscht, daß sie ihn begleite.
    Mit undurchdringlicher Miene gratulierte Kate ihrem Ex-Mann und seiner neuen Frau, gab ihr Geschenk ab und wollte sich unauffällig in eine Ecke verziehen, bis Samuel sich an seinem Patenkind satt gesehen hatte.
    Plötzlich legte Ramona ihr das Neugeborene in die Arme.
    Kate wurde von einer heftigen Gemütsbewegung erfaßt. Erst jetzt, in diesem Moment, war das Band zwischen ihr und Bernd endgültig zerrissen. Die Trauer über das Scheitern ihrer Liebe wallte schmerzhaft in ihr auf.
    Sie wandte sich ab und unterdrückte die Tränen, die ihr schon in die Augen geschossen waren. Gleich darauf hatte sie sich wieder in der Gewalt.
    »Netter Kerl«, lobte sie den Kleinen. »Hoffentlich hat er nicht den Charakter seines Vaters geerbt!«
    Damit gab sie Ramona das Baby zurück, die einen Moment brauchte, bis sie über die Bemerkung lachen konnte.
    Dann beobachtete Kate, wie Samuel mit dem Baby umging. Er zeigte nicht das geringste Zeichen von Eifersucht oder Rivalität, sondern war voller Fürsorge und Zärtlichkeit dem Neugeborenen gegenüber.
    Kate war beruhigt. Nein, die Geburt dieses Kindes würde kein weiteres Trauma in Samuel auslösen.
    Sie rang sich sogar zu dem Gedanken durch, daß es für Samuel schließlich besser wäre, einen Halbbruder zu haben als gar keine Geschwister.
     
    Es war Februar und eiskalt. Kate stand fröstelnd in der Küche und kochte ihren Morgenkaffee.
    Als sie die Haustür öffnete, um die Tüte mit den Brötchen reinzuholen, hallte Mattuscheks metallisches Organ zu ihr rüber. Unverkennbar beschimpfte er den armen, alten Gustav, der gleich darauf, händeringend und mit sich selbst redend, die Straße entlangkam.
    »Ja, lauf nur«, rief Mattuschek hinter ihm her, »deine Frau wartet schon auf dich!«
    Gustav blieb abrupt stehen und drehte sich um.
    »Wo?« fragte er mit aufgerissenen Augen, »wo wartet meine Hilde?«
    »Auf dem Friedhof, alter Trottel«, höhnte Mattuschek.
    Kate wäre am liebsten hinausgelaufen und ihm an die Gurgel gesprungen. Zähneknirschend schloß sie die Tür und hoffte inständig, der arme Gustav würde die gemeine Kränkung schnell vergessen.
    Sie bereitete das Frühstück für Samuel zu, der gähnend in die Küche kam.
    »Kaufst du mir neue Handschuhe?« fragte er mit treublauem Augenaufschlag.
    »Hast du deine schon wieder verloren?« fragte Kate ungläubig.
    Samuel nickte.
    »Das war das dritte Paar in diesem Winter«, schimpfte Kate.
    Samuels Zerknirschung hielt sich in Grenzen. »Stimmt nicht«, verbesserte er, »ich habe immer nur einen verloren, nie das ganze Paar.«
    »Also gut, dann ziehst du die verdammten Dinger jetzt einzeln an!« befahl Kate. »Den rechten vom einen Paar und den linken vom anderen.«
    »Geht leider nicht! Ich habe dreimal den linken verloren.«
    Samuel grinste lausbübisch. Kate zog eine Grimasse.
    Es klingelte: Simon kam, um Samuel abzuholen. Gemeinsam gingen die zwei Freunde zum Schulbus.
    Kate machte es sich mit ihrem Kaffee und der Zeitung gemütlich. Schritte auf dem Flur unterbrachen nach wenigen Minuten ihre Lektüre. Die Küchentür ging auf, und Inge steckte den Kopf hinein.
    »Morgen. Hast du Gustav gesehen?«
    »Ja, vorhin. Er hatte wieder Ärger mit Mattuschek. Der Scheißkerl hat ihn zum Friedhof geschickt. Dort warte schon seine Frau auf ihn!«
    Inge ballte die Fäuste. »Irgendwann …«, preßte sie zwischen den Zähnen hervor, sprach aber nicht weiter.
    »Wenn ich Gustav sehe, bringe ich ihn nach Hause«, versprach Kate, die gleich zum Einkaufen gehen wollte.
     
    Ohne Gustav begegnet zu sein, kehrte sie eine knappe Stunde später nach Hause zurück.
    Sie knetete und massierte ihre Hände, bis sie einigermaßen warm waren. Dann machte sie sich an die Arbeit.
    Es war kalt im Haus; sie mußte Öl sparen. Im dicken Pullover, mit einem Schal um den Hals und Wollsocken an den Füßen, hockte sie vor ihrer provisorischen Werkbank.
    »Scheiße, verdammte!« fluchte sie irgendwann und knallte die Feile auf den Tisch, ein gebrauchtes Ding, fast stumpf und von lächerlicher Qualität. Keiner, nicht mal der alte Johannser, hätte damit etwas Anständiges zustande gebracht.
    Ärgerlich griff sie nach einer Kiste mit Stoffpüppchen, deren hohle Leiber mit Watte ausgestopft werden mußten. Auch mit dieser stumpfsinnigen Tätigkeit verdiente

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