Der Mann von Nebenan
verreiste.
Für heute würde sie Olga zu sich einladen. In den nächsten Tagen würde sie sich möglichst oft im Dorf zeigen, am besten in Gesellschaft der anderen Frauen.
Olga freute sich über Kates Anruf; sie hatte sich wohl schon vernachlässigt gefühlt. Seit sie nicht mehr ständig wegen des Nachbarschaftsstreites in Kontakt waren, hatte Kate sich nur selten gemeldet.
Am Nachmittag kam die Freundin angerauscht, wie immer höchst elegant, diesmal in einem Zweiteiler aus glänzendem schwarzem Steppstoff. Sie machten einen langen Spaziergang durch die winterliche Landschaft; danach kochte Kate Milchkaffee und buk Waffeln, die sie mit Ahornsirup und Schlagsahne servierte.
»Geiles Zeug«, stöhnte Olga nach der dritten Waffel, »aber jetzt platze ich gleich. Was treibt übrigens dein lieber Freund Willi? Hast du noch mal was von ihm gehört?«
»Der ist lammfromm«, erwiderte Kate. »Unsere Taktik, einfach keinen Widerstand mehr zu leisten, war genau richtig. Wir grüßen uns wieder, stell dir vor! Ich bin so froh, ich kann es dir kaum sagen!«
»Und ich erst. Ehrlich gesagt hatte ich wirklich Angst um dich. Und besonders um Samuel. Ich dachte, wenn der Typ durchdreht, geht er bestimmt auf den Schwächsten los. Wo er doch schon die Katze auf dem Gewissen hat!«
»Mir ging’s genauso«, behauptete Kate. »Aber seit Samuel zugegeben hat, daß er im Schuppen heimlich geraucht hat, glaube ich auch nicht mehr, daß Willi den Brand gelegt hat.«
Olga riß überrascht die Augen auf. »Samuel? Davon hast du mir ja noch gar nichts gesagt!«
»Echt? Dann hab ich’s vergessen«, sagte Kate. »Aber tu mir bitte den Gefallen und sprich ihn nicht darauf an, okay? Das Ganze war schlimm genug für ihn.«
Gedankenverloren nahm Olga noch eine Waffel. Kauend sagte sie: »Ehrlich gesagt war ich überzeugt, daß Mattuschek hinter dem Brand steckt. Ich habe einen solchen Haß auf den Typen geschoben, daß ich jeden verstanden hätte, der ihn umgebracht hätte. Ich war kurz davor, es selbst zu tun.«
»Aber Olga!« rief Kate in gespieltem Entsetzen. »Wie kannst du so etwas Schreckliches sagen? Auf diesen Gedanken bin ich nie gekommen; ich habe eigentlich immer gefunden, daß er ein armes Schwein ist. Im Grunde tut er mir leid.«
»Du bist eben einfach ein besserer Mensch als ich, Kate«, sagte Olga ohne großes Bedauern, »vielleicht sogar ein bißchen zu gut für diese Welt.«
Als Kate, Malise, Inge und Rita vom Abendessen in der Dorfschenke nach Hause kamen, brannte Licht bei Mattuschek.
»Wir hätten ihn einladen sollen; jeder Todeskandidat hat schließlich Anspruch auf eine Henkersmahlzeit«, sagte Malise boshaft grinsend.
»Ob es sein letzter Abend ist? Sein vorletzter?« überlegte Rita halblaut. »Eigentlich tut er mir fast ein bißchen leid.«
Malise verzog das Gesicht. »Mir kommen gleich die Tränen.«
»Nein, wirklich«, fuhr Rita scheinheilig fort, »jetzt sitzt er da ganz alleine, niemand da, den er rumschikanieren kann; vielleicht schreibt er gerade einen Beschwerdebrief an die Gemeinde, ans Landratsamt oder an die Zeitung und ahnt nicht, daß alles umsonst ist.«
»Und daß in diesem Sommer die Schnecken seinen Garten ratzeputz kahl fressen werden«, ergänzte Kate, worauf alle in Gekicher ausbrachen.
»Ich würde gerne sein Gesicht sehen, wenn Miroslav vor ihm steht. Wenn er kapiert, daß er gleich über die Klinge springt und ihm die Todesangst in die Glieder fährt«, sagte Malise. »Da wäre ich wirklich gerne dabei. Es ist der Moment, auf den ich seit Jahren gewartet habe. Die Rache für Jenna.«
»Und für Gustav«, fügte Inge hinzu.
»Und für Samuel«, sagte Kate. Aber, dachte sie plötzlich, wofür rächt sich eigentlich Rita?
Am Montag morgen trafen sich die Frauen bei Malise.
Miroslav hatte sich noch mal gemeldet und auch die zweite Rate im voraus verlangt.
»Er sagt, er muß danach sofort ins Ausland, deshalb will er das Geld gleich«, berichtete Rita.
»Das ist doch wohl eine oberfaule Nummer!« explodierte Inge. »Zweitausend Mark hat der Typ bisher kassiert, und Mattuschek läuft immer noch putzmunter durch die Gegend. Nicht mit mir, damit ihr Bescheid wißt!«
Kate war derselben Meinung. »Also, wenn er mit den viertausend nicht einfach abhauen würde, dann wäre er doch bescheuert. Ich finde, das Risiko können wir nicht eingehen.«
»Aber eine Garantie gibt’s nicht bei diesen Geschäften«, sagte Rita. »Das läuft nun mal auf
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