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Der Mann von Nebenan

Der Mann von Nebenan

Titel: Der Mann von Nebenan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelie Fried
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schüttelte den Kopf. »Darüber ich nicht sprechen.«
    »Egal, wie Sie es machen«, forderte Kate mit blitzenden Augen, »er soll was davon haben, okay?«
    »Er wird was habe davon«, versprach Miroslav und sah plötzlich überhaupt nicht mehr jungenhaft aus.

SECHZEHN
     
    B ei Ramona und Bernd sollte nun bald Taufe sein. Samuel, der seinen Job als Patenonkel außerordentlich ernst nahm, bereitete sich gewissenhaft auf seinen Auftritt vor.
    »Muß ich gleichzeitig den Tim und die Taufkerze halten?« wollte er von Kate wissen. Auch die Frage, warum der Täufling ein Kleid tragen mußte, obwohl er doch ein Junge war, beschäftigte ihn.
    Ramona und Bernd bezogen Samuel in alle Vorbereitungen ein und gaben ihm das Gefühl, eine wichtige Rolle in der neu entstandenen Familie zu spielen.
    Kate fühlte sich überfordert angesichts des untadeligen Verhaltens ihres Ex-Gatten und seiner Frau. Wenn die beiden sich doch ein bißchen schweinischer verhalten würden, dann wäre es leichter! So aber konnte sie sich nur wie ein guter Mensch benehmen, und Kate war immer weniger sicher, ob sie das überhaupt wollte.
    Der Tag der Taufe rückte näher. Ihr Unbehagen wuchs, aber sie nahm sich vor, ihre negativen Gefühle zu unterdrücken. Sie wollte Samuel das Erlebnis nicht verderben.
    Es war ein verhangener Wintertag, naßkalt und trübe. Vor der Kirche versammelten sich Herren in dunklen Anzügen und Damen mit gewagten Hutkreationen, die meisten Verwandte von Ramona. Auf die Teilnahme früherer gemeinsamer Freunde hatte Bernd, offenbar aus Rücksicht auf Kate, verzichtet. Aber Bernds Eltern, Kates Ex-Schwiegereltern, waren gekommen.
    »Kate! Wie schön, dich zu sehen!« rief seine Mutter aus und stürmte auf Kate zu.
    Der Vater folgte zögernd. »Ist das nicht eine ziemliche Zumutung für dich?« fragte er geradeheraus, als er sie erreicht hatte. »Bernd mit seiner neuen Frau, die ganze Verwandschaft …«
    »Aber nein, warum denn?« sagte Kate mit unnatürlich hoher Stimme, »es ist doch wunderbar, daß wir uns alle so gut verstehen!«
    »Für Samuel ist es das wirklich«, sagte die Mutter.
    »Aber ganz ehrlich, ich bewundere dich!«
    Das kannst du auch, dachte Kate bei sich. Und in einem Anfall von selbstquälerischer Lust begann sie, von Ramonas Vorzügen zu schwärmen.
    »Ist sie nicht entzückend, eure neue Schwiegertochter? Ich finde, sie hat so etwas Reines.«
    »Ein bißchen jung, nicht wahr?« brummte der Vater.
    »Könnte meine Enkeltochter sein.«
    Endlich begann der Gottesdienst, und Kate wurde erlöst.
    Liebevoll betrachtete sie Samuel, der mit andächtigem Gesicht die Kerze trug. Den Täufling hatte man doch lieber dem erwachsenen Paten anvertraut, was Kate ärgerte. Tim, der die Veranstaltung bis dahin stoisch hatte über sich ergehen lassen, stieß einen markerschütternden Schrei aus, als der Pfarrer das Wasser über seinen Kopf goß. Er hörte nicht wieder auf zu schreien, was beim Pfarrer zu einiger Nervosität führte. Er beschleunigte sein Gemurmel, griff nach der silbernen Kanne mit dem öligen Balsam und führte sie schwungvoll über den Kopf des Kindes.
    In diesem Moment öffnete sich der Deckel, und ein Schwall von Öl ergoß sich über das Gesicht und in die Augen des Kindes. Das Gebrüll wurde augenblicklich zu einem ohrenbetäubenden Kreischen, ein Tumult brach aus, Leute liefen durcheinander, Papiertaschentücher wurden aus Handtaschen gerissen, empörtes Protestgeschrei und lautstarke Mitleidsbekundungen mit dem bedauerswerten Täufling erschollen.
    Kate betrachtete das Durcheinander mit wachsender Schadenfreude. Das Baby tat ihr leid, keine Frage. Aber daß die feierliche Zeremonie ruiniert war, daß der wichtige Moment in der Erinnerung von Bernd und Ramona als peinliche Panne haften bleiben würde, das tat ihr gut.
    Der Pfarrer stand da wie ein begossener Pudel. Schnell sprach er den Segen, raffte die Röcke seiner Gewänder und flüchtete in die Sakristei.
    Beim anschließenden Mittagessen in einem vornehmen Restaurant gab es kein anderes Thema als die Ungeschicklichkeit des Kirchenmannes, der dem armen Kind bei seinem Eintritt in die Gemeinde einen solchen Schock zugefügt hatte. Der kleine Tim hatte knallrote Augen und wimmerte den ganzen Nachmittag unglücklich vor sich hin.
    Irgendwann hielt Bernd eine Rede. Er brachte es fertig, Kates Verbundenheit mit seiner neuen Familie zu betonen, die es ermöglichte, daß er ein gänzlich unbelastetes Verhältnis zu seinem Sohn Samuel habe, der ja auch

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