Der Mann zweier Welten
gehen.«
»Seit wann bist du so vorsichtig? Du hast mir geholfen, die Nichtregistrierten auszubilden und zu organisieren.«
»Vielleicht habe ich jetzt erst alle Kräfte des Feindes entdeckt. Laß mich allein, Ketan. Bitte. Ich komme zu dir zurück.«
»Nein.«
Er hatte sich noch nie so weit entfernt von ihr gefühlt wie in dieser kleinen Kammer. Weshalb sollte er weggehen? Er stellte sich das Leben ohne sie entsetzlich vor.
Elta beugte sich vor und sah in die Nische. Er hätte sie am liebsten geschüttelt, um ihr ihre Geheimnisse zu entreißen.
Aber es hatte keinen Sinn. Solche Dinge konnte man nicht so einfach lösen.
Er ging auf die Nische zu und untersuchte sie genau. Nichts als glatter Stein. Er kletterte ins Innere.
Elta schrie auf. »Ketan …«
Das violette Licht schimmerte im Innern auf. Einen Augenblick schien es ihn zu umschlingen. Ketan zitterte am ganzen Körper. Er sprang zurück in die Kammer.
»Elta, ich …«
Das grelle Licht blendete sie. Er hielt sich den Arm vor die Augen. Und dann war es vorbei, und auf der Plattform lag ein wimmerndes Kind.
Elta nahm es auf. »Klingle«, sagte sie müde.
»Warte – da ist etwas.«
Ein weißer Streifen war um das Bein des Kindes gewickelt. Ketan öffnete ihn. Er sah einen tiefen Schnitt. Ein Blatt fiel zu Boden, und er nahm es auf.
»Es sieht wie eine Botschaft aus …«
Elta warf ihm einen hastigen Blick zu. »Vernichte es, Ketan! Schnell. Jemand könnte kommen und uns sehen.«
Er sah ihr in die Augen. »Hast du in das Licht gesehen?«
»Nein, man warnte uns …«
»Man wollte nicht, daß wir es sehen. Als die erste Lichtwelle auf mich zukam, war ich plötzlich in einer anderen Welt. In einer Halle, größer als dieser Tempel, war eine Menschenansammlung. Ich stand vor ihnen am Sockel einer großen Maschine, und sie sahen mich bittend an. Sie schrien mir zu, daß ich sie retten solle.«
Elta wandte den Blick ab. »Es muß eine Illusion gewesen sein …«
13
In dieser Nacht konnte er nicht einschlafen. Er hatte sich so bald wie möglich in sein Zimmer begeben und das Blatt untersucht, das er bei dem Baby gefunden hatte.
Es dauerte nicht lange, bis er es entziffert hatte: »Wenn einer von euch noch lebt, so soll er zu uns durchkommen. Rettet uns. Wir brauchen Waffen.«
Während er noch verwundert auf die fremdartigen Buchstaben starrte, hörte man von draußen verworrene Geräusche. Ketan lief in den Korridor. Er war gesäumt von erschreckten Tempeldienerinnen. Jemand hatte aufgeschrien.
Bevor er dem Schrei nachgehen konnte, wurde er von anderen Frauen zurückgedrängt. Es waren Anhängerinnen Anetels.
»Jemand hat verbucht, Anetel umzubringen – mit einem Messer – eines der neuen Mädchen – sie soll Elta heißen …«
Ketan war zu verwirrt, um noch etwas auffassen zu können. Elta sollte versucht haben, Anetel zu töten. Er ging zurück in seinen Raum und schloß ihn ab. Was konnte nur geschehen sein? Er stellte sich diese Frage immer wieder.
Aber wie kam sie nur dazu? Das konnte doch nicht der Zweck ihres Hierseins gewesen sein? Er zwang sich zur Ruhe. Vielleicht erfuhr er morgen mehr.
Er wußte nicht, wie lange er dagesessen war und ob er schließlich eingeschlafen war. Auf alle Fälle hörte er plötzlich eine Stimme, die seinen Namen rief. Er horchte mit angehaltenem Atem.
Da war es wieder – Matras Stimme. Sie wirkte schmerzverzerrt.
»Ketan – Ketan – antworte, wenn du mich hören kannst…«
»Ich höre. Wo sind Sie?« flüsterte er.
»In meinem Zimmer. Komm sofort zu mir. Aber paß auf, daß dich niemand sieht. Komm …« Die Stimme wurde unhörbar.
Ketan schlich an die Tür und öffnete sie einen Spalt. Der Gang war leer, und die anderen Dienerinnen schliefen.
Aber eine von ihnen – zweifellos eine Anhängerin Anetels – ging am anderen Ende des Korridors auf und ab. Er sah sie um die Ecke verschwinden.
Er lief auf Zehenspitzen den Gang hinunter, behielt aber die Strecke hinter sich im Auge. Als er den Schatten der Wächterin wieder auftauchen sah, drückte er sich flach an einen Türstock. Mit angehaltenem Atem wartete er, bis sie wieder gehen würde.
Weshalb hatte ihn die alte Frau zu sich gerufen? Konnte es sein, daß sie im Sterben lag?
Die Wächterin drehte sich langsam um und zog sich zurück.
Matras Wohnraum lag am Ende des Korridors, gegenüber der großen Versammlungshalle. Ketan lief bis zu ihrer Tür. Nach einem schnellen Blick in alle Richtungen drückte er die Klinke herunter.
Einen
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