Der Mann,der durch das Jahrhundert fiel
geborener Kück für einen Urbarmacher und Künstler in einem, eigentlich für den Ideal-Worpsweder. Paul junior lernte sehr früh: Kück, abgeleitet vom niederländischen »kijk«, heißt Blick, Einblick, Einsicht, also Erkenntnis.
Paul Kück (Rodin des Nordens)
Pauls Großvater war unter armseligen Verhältnissen aufgewachsen. Er fühlte sich von seinem Vater, einem Tarmstedter Bauern, schlecht behandelt und lehnte es ab, auf dessen marodem Hof zu arbeiten. Er ging in eine Steinmetzlehre bei einem Grabmal-Unternehmen, lernte in der Region alle Friedhöfe kennen und setzte die Gedenksteine auf die Gräber der verstorbenen Bauern. Irgendwann ernannte er sich zum Künstler und erschuf große Bronzeskulpturen von Persönlichkeiten, die er für bedeutend erachtete und die er in seinem Moorgarten aufstellte, bis sie von Landesmuseen, Städten, Gemeinden oder Sammlern wie Ferdinand von Schulenburg gekauft wurden.
Eine seiner für die Region bedeutendsten Skulpturen stellte Jürgen Christian Findorff dar, den Moorkommissar. Er stand auf einem Sockel direkt vor der Großen Kunstschau, in der die berühmten Moorbilder der Worpsweder Meister hingen.
Oder die Roselius-Skulptur: Ludwig Roselius, der Erfinder des koffeinfreien, herzschonenden Kaffee-HAG und Erbauer der weltbekannten Bremer Böttcherstraße, er hatte seine Skulptur selbst gekauft. Auch August Bebel, Gründer der Sozialdemokratie, stand als Skulptur im Moorgarten, wurde aber nach dem Krieg in der SPD-Kreiszentrale in Osterholz-Scharmbeck aufgestellt.
Die Gemeinde Tarmstedt besaß die Skulptur »Die Bauern von Tarmstedt«, eine Figurengruppe, die Paul Kück auch für Worpswede gewählt hatte, allerdings waren die Ausführungen unterschiedlich: Merkte man der sechsköpfigen, mehr gebückten Tarmstedter Bauerngruppe noch an, welche Mühen es bedeutet haben musste, das Teufelsmoor urbar zu machen, so blickte die Worpsweder Gruppe nach oben. Die sechste Figur stellte einen Maler dar, der den anderen mit erhobenem Pinsel seine Eindrücke vom Himmel schilderte, der ja bekanntlich in Worpswede so ungewöhnlich zu leuchten imstande war, während sich die Bauern, die Hände in die Hüften gestemmt, eher Gedanken über das aufkommende schlechte Wetter zu machen schienen. Ein Bauer war schon im Begriff wegzueilen, um vielleicht noch schnell das Heu einzufahren. Die Skulptur wurde unter dem Titel »Die Bürger von Worpswede« zu einem der Wahrzeichen der Kolonie.
Im Privatgarten von Paul Kück standen noch Willy Brandt, Luther, Bismarck, Rembrandt, Rodin, natürlich Rilke, Heinrich Schliemann, Heinz Rühmann, Pauls Großmutter, der Rote Franz, das war die berühmte norddeutsche Moorleiche, und andere Persönlichkeiten wie Max Schmeling oder Thomas Mann aus Lübeck. Es gab auch Skulpturen von Menschen, die man nur zwischen Bremen und Hamburg kannte: Henrich Focke zum Beispiel, den Bremer Flugzeugkonstrukteur, der Paul Kück erzählte, er habe sich zu Hause im Schuppen einen aerodynamischen Windkanal gebaut. Oder Gorch Fock aus Finkenwerder, der nicht nur Namenspate für ein deutsches Segelschiff war, sondern ein richtiger Dichter, dessen Erzählung über die Hochseefischer bei den Kücks im Buchregal stand.
Oder auch Gesche Gottfried, die Serienmörderin, die ihre ganze Bremer Familie und ihre Vermieterin, Nachbarn, Musiklehrerin und Mägde mit Mäusebutter, mit Arsenkügelchen in Fett, vergiftete. Was Paul Kück an Gesche Gottfried interessierte, fragten sich viele. Ein paarmal fuhr er sogar nach Bremen und stellte sich vor den Gesche-Stein, auf den man am Dom spucken konnte. Der Spuckstein befand sich genau an der Stelle, wo der Kopf der Mörderin liegen geblieben war, nachdem man sie enthauptet hatte. Angeblich wurde der Kopf sogar in Formaldehyd eingelegt und aufbewahrt und ging erst im Zweiten Weltkrieg verloren. Warum der Großvater so oft am Dom vor dem Spuckstein stand, wusste man nicht. Er spuckte nie.
Einige seiner Skulpturen sackten im feuchten Moorgarten ab, wenn sie zu gewichtig geworden waren, wie zum Beispiel Konrad von Wangenheim, der bei der Olympiade 1936 von seinem Pferd »Kurfürst« stürzte. Er brach sich das Schlüsselbein, stieg wieder auf, stürzte erneut, ritt weiter und rettete am Ende für die Deutschen die Goldmedaille. Paul Kück stellte ihn mit eiserner Miene dar, noch auf einem Pferd sitzend und mit der rechten Hand einen Zügel haltend, was insgesamt so schwer war, dass Konrad von Wangenheim Tag für Tag ein Stück mehr im Moor
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