Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mantel - Roman

Der Mantel - Roman

Titel: Der Mantel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frankfurter Verlags-Anstalt
Vom Netzwerk:
vor. Er beneidete Sie. Sie waren anders, und Ihre Eltern kümmerten sich mehr um Sie als um ihn. Vor allem die Liebe Ihrer Mutter neidete er Ihnen. Sie wären beruflich unfähig, meinte er. Aber so ein Schöngeist. Das verstelle Ihrer Mutter den Blick.«
    Sie schaute auf ihre kräftigen beruhigenden Hände, ihre Stimme wurde wieder leiser: »Dann war ich schwanger. Franz tobte und verlangte, dass ich das Kind wegmache. Ich konnte das nicht. Schon wegen der brutalen Art, mit der er mich unter Druck setzte. Es war doch mein Kind. Ich lehnte ab. Da verstieß er mich. Ich musste sofort meine Stelle in der Abteilung kündigen. Irgendwohin gehen. Er wollte zahlen. Aber ich sollte verschwinden.« Sie wischte sich eine Träne aus dem Gesicht.
    Schmidt schaute weg. Er wollte sie nicht weinen sehen.
    »Ich dachte erst, ich würde mir etwas antun. Ich war so enttäuscht und verzweifelt. Aber ich wollte mein Kind haben. Ich hatte überlegt, nach zu Hause zurückzugehen. Aber zurück in ein Kaff bei Deggendorf, schwanger von einem verheirateten Mann? Ich beschloss, in München zu bleiben. Fabian kam auf die Welt, und ich akzeptierte, dass er mich völlig aus seinem Leben verbannte. Aber ich nahm den Unterhalt, den er mir anbot. Um mich mundtot zu machen.«
    Schmidt stöhnte: »Ich kann es nicht fassen. Mein Bruder. Darum kam mir der Junge so vertraut vor. Er sieht Franz wirklich ähnlich! Und er wollte, dass ich sein Vater sein sollte. Das ist völlig bizarr. Aber wie sind Sie auf mich gekommen? Was um Gottes willen machen Sie hier?«
    Das Telefon klingelte. Sabine Graseder strich sich mit der linken Hand die Haare aus dem Gesicht, als kündigte das monotone Geräusch einen Besucher an. »Ach Sie sind’s, Herr Wimmer, wie geht’s?« Ihrer Stimme war keine Anspannung anzumerken. »Oh je! Aber wir können da nichts machen. Sie wird wiederkommen.« Schmidt hörte die aufgewühlte Stimme seines Mandanten bis zu seinem zwei Schritte entfernten Platz. Die Graseder hatte den Hörer in Unterarmweite von ihrem Kopf positioniert. Für ihre Antwort brachte sie ihn wieder an Mund und Ohr: »Herr Wimmer, bitt’schön, beruhigen Sie sich. Es gibt keinen Durchsuchungsbefehl oder dergleichen. Wenn wir die Verfahren gewinnen, können wir auch die Wohnung in Laax durchsuchen lassen. Da wird sie ja wohl hinfahren. Bis dahin können wir nicht eingreifen.« Sie wurde wieder unterbrochen. Ihre schönen Finger trommelten auf der Schreibtischplatte. Hände waren für Schmidt eigentlich immer wichtig gewesen. Als Spiegel des Charakters, aber auch als erotisches Merkmal. Seltsam, dachte er, er hatte die Hände der Graseder noch nie recht beachtet. Keine Ringe, gepflegte unlackierte Nägel mit großen Monden, keinerlei Altersspuren. Solche Hände verrieten Energie. Das Trommeln war gedämpft. Diese Finger können zupacken, dachte Schmidt. Aus Niederbayern, ohne ländlich zu sein.
    Ihre leicht ironische Stimme riss ihn aus seinen Gedanken: »Sie könnten versuchen, Ihr im Flughafentrubel den Koffer aus der Hand zu reißen, oder noch besser, reißen zu lassen. Oder mitfliegen und den Koffer am Zielort vom Band nehmen und den dann, einmal in Sicherheit gebracht, durchsuchen. Nein, Herr Wimmer, bitte, fahren Sie nach Hause. Das kann nur schiefgehen.« Sie horchte in die Leitung: »Herr Wimmer? Hallo?« Sie legte auf. »Mist.«
    »Was Mist?«
    »Ich glaube, ich bin im Moment nicht geeignet für ein Gespräch mit ihm. Meine Vorschläge waren ihm wohl zu bunt. Er wird denken, ich will ihn auf den Arm nehmen. Einfach aufgelegt hat er. Das ist mir noch nie mit ihm passiert.«
    Schmidt beschwichtigte: »Sie haben alles richtig gemacht. Und wenn er ernsthaft der Meinung ist, man könne eine freie Person an der Ausreise hindern oder ohne richterliche Anweisung ihr Reisegepäck durchsuchen lassen, verdient er keine andere Antwort als die, die Sie ihm gegeben haben.«
    Sie sah ihn von der Seite an, fast mitleidig: »Ach, Herr Schmidt.« Währenddessen huschten Ihre Finger über die Tasten der Telefonanlage.
    »Ich würde gerne unser Gespräch fortsetzen«, forderte Schmidt mit leiser Stimme.
    Sie sah nicht einmal auf: »Und ich würde Herrn Wimmer nicht gerne so alleine lassen.« Ihre Stimme erwärmte sich sofort nach dieser Zurechtweisung: »Herr Wimmer. Gut, dass ich Sie noch erwische. Tut mir leid. Ich habe vielleicht zu viel den Bullen von Tölz oder so Zeug ang’schaut. Ich wollte Sie nicht – ich meine, wir müssen im Moment stillhalten. Alles andere kann

Weitere Kostenlose Bücher