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Der Marktmacher

Der Marktmacher

Titel: Der Marktmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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Privatnummern der Dekker -W ard-Leute hervor und wählte eine von ihnen.
    » Alô. «
    »Ich möchte mit Luciana Ross sprechen.«
    »Am Apparat.«
    »Oh, hallo. Nick Elliot. Wir haben uns auf Ihrer Party im April getroffen. Ich weiß nicht, ob Sie sich noch an mich erinnern.«
    »Ah ja, Nick. Natürlich erinnere ich mich!« Ihre Stimme war heiser und freundlich. »Wie geht es Ihnen?«
    »Oh, ganz gut. Sie haben mir erzählt, daß Sie Inneneinrichtung entwerfen. Nun, ich möchte meine Wohnung r e novieren und hätte gerne gewußt, ob ich mal vorbeiko m men und etwas von Ihren Arbeiten zu sehen bekommen könnte.«
    »Natürlich. Jederzeit.«
    »Heute?«
    »Sicher. Kommen Sie doch zum Mittagessen.«
    »Okay.« Ich blickte auf die Uhr und ging im Kopf rasch den Zugfahrplan durch. »Ich könnte gegen ein Uhr bei I h nen sein.«
    »Wunderbar.«

D ie Ross ’ sche Wohnung lag am Belgrave Square. Ich kettete mein Fahrrad außer Sichtweite an und klingelte. Ich trug die elegantesten Freizeitklamotten aus meinem B e stand, wußte aber, daß ich damit besser in der School of Russian Studies als hier aufgehoben war.
    Eine geisterhafte Stimme krächzte in der Gegensprechanlage: »Nick?«
    »Ja.«
    »Zweiter Stock. Nehmen Sie den Fahrstuhl.«
    Im zweiten Stock gab es nur eine Eingangstür, und ich drückte auf die Messingklingel daneben. Wenig später wurde sie geöffnet, und Luciana erschien in der Türöffnung. Sie trug eine einfache weiße Bluse und Jeans, die sich eng an Hüften und Beine schmiegten. Das dichte, schwarze Haar fiel ihr auf die Schultern. Strahlend lächelte sie mich an, als seien wir alte Bekannte. »Kommen Sie rein, Nick!«
    Ich küßte sie auf die hingehaltene Wange und tauchte in den Duft eines teuren Parfüms. Dann folgte ich ihr ins Wohnzimmer.
    Es bot einen überwältigenden Anblick. Dunkles, poliertes Holz, luxuriöse Teppiche, Goldborten und breite, intensiv gemusterte Vorhänge warben um die Aufmerksamkeit des Betrachters. Doch mein Blick wurde von den Wänden angezogen, wo drei großflächige Gemälde eine wirbelnde Farborgie aus Grün-, Blau- und Rottönen en t fesselten.
    Luciana folgte meinem Blick. »Die sind von einem vielversprechenden jungen Maler aus Bahia. Gefallen sie I h nen?«
    »Sie erinnern mich an die Bilder meiner Mutter.« Auf seltsame Weise taten sie das tatsächlich. Trotz der höchst unterschiedlichen Motive – Norfolker Strände und tropische Regenwälder – erweckten die kreisenden Pinselstriche den gleichen Eindruck von düsterer Verzweiflung. Es war geradezu unheimlich.
    »Wirklich?« sagte Luciana. »Sie muß eine gute Malerin sein.«
    »Das ist sie«, sagte ich nachdenklich.
    Luciana blickte mich aufmerksam an. Sie kannte und mochte diese Bilder. Es war, als würde sie meine Mutter kennen.
    »Möchten Sie ein Glas Wein?« fragte sie.
    »Sehr gern.«
    »Nehmen Sie Platz. Ich bin in einer Minute zurück.«
    Ich setzte mich auf ein Sofa und sah mich um unter al l d iesen Teppichen, Vasen, Uhren, Kerzenständern – manches alt, manches neu, alles kostspielig. Was waren das für Leute, die es nach solch einer Inneneinrichtung verlangte? Reiche Leute, vermutlich.
    Nirgends konnte ich etwas entdecken, was mich an Ricardo erinnert hätte. Wahrscheinlich hatte er irgendwo ein Arbeitszimmer, den Blicken der Besucher entzogen. Das hier war offenkundig Lucianas Reich.
    Sie kam mit zwei Gläsern Weißwein zurück und schmiegte sich in einen großen Sessel mir gegenüber. Barfuß war sie und hatte rote Zehennägel.
    Offenbar erschien es ihr vollkommen normal, daß ein junger Ex-Angestellter ihres Mannes bei ihr erschien, um sich mit ihr über Innenarchitektur zu unterhalten. Irgendwie hatte ich damit gerechnet.
    »Sie geben Ihrer Zukunft also ein neues Zuhause?« fragte sie mit leiser Ironie.
    »Ja. Nachdem ich jetzt ein wenig Geld verdient habe, soll meine Wohnung ein bißchen freundlicher aussehen. Da mir einige der Dinge, die ich in Brasilien gesehen habe, gut gefallen haben, wollte ich mir ein paar Anregungen von Ihnen holen. Ist Ihnen das recht?«
    »Aber natürlich«, sagte Luciana. Über den Rand ihres Glases traf mich ein sehr direkter Blick aus ihren dunklen Augen. »Aber lassen Sie uns erst etwas trinken und essen, ja? Es ist nur ein Salat.«
    Ich nahm einen tiefen Schluck aus meinem Weinglas. Mir war unbehaglich zumute. Auf ihre Weise war diese Frau genauso dominierend wie Ricardo. Sie war daran gewöhnt, zu kriegen, was sie haben wollte. Nun, ich wollte auch etwas von ihr.

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