Der Marktmacher
war der Absender die Nassauer Filiale der United Bank of Canada. Bei der Nachricht handelte es sich um e i ne Kurzmitteilung.
G emäß Ihrer Anfrage haben wir versucht, den Nutzungsberechtigten der International Trading and Transport (Panama) zu ermitteln, leider ohne Erfolg. Auf Geheiß von Mr. Tony Hempel, einem in Miami ansässigen Anwalt, der für die allgemeine Verwaltung von International Trading und Tran s port zuständig ist, haben wir Gelder vom Firmenkonto auf das Konto von Dekker Trust bei der Filiale von Chalmet et Cie. auf den Ca y man Islands überwiesen.
U nterschrieben war das Fax von Donald Winters, Vizepräsident.
»Isabel?«
Sie hatte gerade aufgelegt. »Ja?«
»Ich habe eben dieses Fax für Martin Beldecos entgegengenommen. Wo sitzt er?«
Sie antwortete nicht sofort, sondern wich meinem Blick aus und holte tief Luft.
»Er hat früher an Ihrem Platz gesessen«, erwiderte sie, um Ausdruckslosigkeit in ihrer Stimme bemüht.
»Er ist nicht mehr hier?« Irgend etwas stimmte nicht mit Martin Beldecos Fortgang. »Ist er gekündigt worden?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Nein, er ist tot.«
Es verschlug mir den Atem. »Wie das?«
»Er wurde umgebracht. In Caracas. Einbrecher sind in sein Hotelzimmer eingedrungen, als er schlief. Er ist wohl aufgewacht und hat sie überrascht. Da haben sie ihn erst o chen.«
»Himmel! Wann war das?«
»Vor etwa drei Wochen.«
»Wow!« Mir lief es eiskalt den Rücken hinunter. Es war ein verdammt merkwürdiges Gefühl, daß der letzte Inh a ber dieses Schreibtischs und dieses Stuhls jetzt tot war.
Ich hätte gern noch mehr in Erfahrung gebracht, aber sie mochte anscheinend nicht darüber sprechen, und ich wol l te nicht aufdringlich erscheinen.
»Okay. Aber was soll ich damit anfangen?«
»Ich nehme es an mich«, sagte sie.
Ich gab ihr das Fax. Sie warf einen Blick darauf, runzelte kurz die Stirn, notierte etwas und legte es in einen Pos t korb auf dem Nachbartisch. Dann schob sie die Papiere vor sich zusammen, stopfte einige in einen Aktenkoffer und zog ihre Jacke an.
»Gute Nacht«, sagte sie.
»Gute Nacht. Bis morgen.«
Und weg war sie, ließ mich allein zurück, auf dem Stuhl eines Toten, an dem Schreibtisch eines Toten.
DREI
A m nächsten Morgen um sieben war ich froh, daß ich wieder das Fahrrad genommen hatte. Wenn ich erneut den ganzen Tag hier drinnen saß, hatte ich wenigstens eine gehörige Portion frische Luft geschnappt. Als ich kam, war Ricardo schon da. Hätte er nicht ein anderes Hemd ang e habt, dann hätte ich geschworen, daß er die Nacht an se i nem Schreibtisch verbracht hatte.
Ich lächelte Isabel an, als sie hereinkam. Sie antwortete mit einem kurzen Lächeln und einem »Hi«.
Ich warf das Jackett auf meinen Schreibtisch, holte mir eine Tasse Kaffee und ging zu Jamie hinüber. Er plauderte mit Dave, dem dicken Trader aus Romford.
»Morgen«, sagte Dave. »Haben wir Sie am ersten Tag a l so doch nicht vergrault?«
»Ich bin noch da.«
»Wann bist du gestern abend gegangen?« fragte Jamie.
»Gegen elf.«
»Nicht schlecht für den ersten Tag. Laß mich raten, Ricardo war noch da, als du gegangen bist?«
Ich nickte. Wir schwiegen, während wir uns unsere frühmorgendliche Koffeindosis zuführten.
»Ich habe die Sache mit Martin Beldecos gehört«, sagte ich. »Isabel hat mir gestern abend davon erzählt.«
»Schlimme Geschichte«, sagte Dave. »Ganz schlimme Geschichte.«
»Isabel hat gesagt, er wurde ermordet.«
»Stimmt«, sagte Jamie. »Soweit ich gehört habe, hat di e P olizei in Caracas die Burschen geschnappt, die es getan haben.«
»Ich habe noch mehr läuten hören«, meinte Dave und senkte die Stimme.
Erwartungsvoll blickten Jamie und ich ihn an.
»Man sagt, daß es nicht nur ein mißlungener Hoteleinbruch war. Miguel ist letzte Woche dort gewesen. Er hat gehört, daß es bezahlter Mord war. Von einer der Droge n banden.«
»Bezahlter Mord?« fragte Jamie erstaunt. »An Martin Beldecos? Diesem Aktengeschöpf mit Brille und Halbglatze? Wollte er sich das lateinamerikanische Monopol für Büroklammern unter den Nagel reißen?«
»Aber Mig hat das gesagt«, beharrte Dave trotzig. »Du weißt, daß er sich da unten auskennt …«
Wir wurden durch das scharfe Händeklatschen unterbrochen. »Sieben Uhr fünfzehn, Compañeros !« rief Rica r do. Stille trat ein, als wir uns um ihn versammelten.
Ich bekam schon ein bißchen mehr von der Morgenbesprechung mit als am Vortag. Der Markt zeigte sich g e schockt
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