Der Marktmacher
mein Kündigungsschreiben bald erhalten.«
»Auch das kann ich verstehen.« Er beugte sich vor und küßte sie auf beide Wangen. »Viel Glück«, sagte er. »Wissen Sie, Nick, es tut mir leid, daß es bei Dekker Ward für Sie nicht geklappt hat. Sie waren ein beachtlicher Gegner. Ich hätte Sie gern auf meiner Seite gehabt.«
Gegen meinen Willen mußte ich lächeln, als ich ihm die Hand reichte.
»Nun muß ich aber wirklich gehen. Wir haben eine kleine Krise in der Firma. Einer unserer Kunden hat begonnen, seine Anleihen zu verkaufen. Sie erinnern sich wahrscheinlich an ihn, Nick. Alejo? Einer von Jamies Kunden. Jamie hat sich empört nach Hause verzogen. Manchmal setzen einem die Dinge ganz schön zu in diesem G e schäft. Nun ja, auf Wiedersehen.«
Wie vor den Kopf geschlagen, sah ich ihm nach. Plötzlich wußte ich, daß Ricardo die Wahrheit gesagt hatte.
»Nick? Nick?« hörte ich Isabels Stimme wie aus weiter Ferne.
»Oh, Isabel, tut mir leid, ich muß noch einen Besuch machen.«
»Was soll das heißen, Nick? Es ist schon spät.«
»Ich versuche, noch heute abend zurück zu sein. Wenn nicht, sehen wir uns morgen früh.« Mit diesen Worten und einem hastigen Kuß verließ ich sie.
ZWEIUNDDREISSIG
D as Taxi nach Dockenbush Farm kostete mich ein kleines Vermögen. Ich zahlte und sammelte mich, bevor ich zur Tür ging. Es war ein warmer Sommerabend. Die Sterne und der Mond beleuchteten das Gutshaus vor mir. Aus zwei Fenstern im Erdgeschoß fiel Licht auf den Kiesweg. Irgendwo hinter mir schrie ein Käuzchen.
Ricardo mußte erkannt haben, daß es Jamie war, dachte ich. Sobald ich ihm von Francisco erzählt hatte, war es ihm klargeworden. Alejo war Jamies Kunde, der angeblich für eine mexikanische Familie arbeitete, die ung e nannt bleiben wollte. Tatsächlich war Alejo aber für Francisco tätig. Luciana war wirklich Franciscos Vermittlerin gewesen, alle r dings bei Jamie und nicht bei Ricardo. Sie hatte gewußt, daß Ricardo keine Geschäfte mit ihrem Bruder machen würde. Jetzt hatte Francisco Angst und ließ durch Alejo a l les verkaufen, was ihn mit Dekker Trust verband.
Ricardo hatte mir das zu verstehen gegeben, damit ich mich um Jamie kümmern konnte. Was Francisco anging, so würde sich Ricardo seiner annehmen. Darauf konnte ich mich verlassen.
Ich klingelte.
Es dauerte eine Weile, bis sich die Tür öffnete. Seinen Anzug hatte er gegen Jeans und ein altes Baumwollhemd getauscht. Er lehnte sich gegen den Türrahmen.
»Ach, du bist es. Ich habe damit gerechnet, daß jemand kommen würde, aber an dich habe ich nun wirklich nicht gedacht.«
Er roch nach Whisky. Seine Augen glänzten, hatten aber Mühe, mich zu fixieren. Der Anblick war mir vertraut. Ich hatte ihn schon öfter angetrunken gesehen.
»Kann ich reinkommen?«
»Sicher.« Er führte mich durch die Diele ins Wohnzimmer. Dort war Musik zu hören: Ich erkannte das Leonard-Cohen-Album, das ich seit dem Studium nicht mehr gehört hatte. Ein Semester lang war es seine Lieblingspla t te gewesen, dann hatte er sie vergessen. Er ließ sich in e i nen Sessel fallen. Ein Kristallbecher, zu drei Vierteln mit Whisky gefüllt, stand auf einem kleinen Tischchen neben ihm.
»Nimm dir was zu trinken«, sagte er.
Ich griff mir die Flasche und ging in die Küche, um mir Eis zu holen. Offenbar war seit Tagen nicht mehr abgew a schen worden. Auf der Anrichte stapelten sich die leeren Packungen von Tiefkühlgerichten. Kate war seit zehn T a gen fort. Das war dem Haus anzumerken.
Jamie starrte mich an, als ich zurückkam. Ich setzte mich in einen Sessel ihm gegenüber. Im Hintergrund spielte Leonard Cohen.
»Isabel ist frei«, sagte ich.
»Geht es ihr gut?«
»Ja, wenn man bedenkt, daß sie zwei Monate lang in einem winzigen Loch eingesperrt war.«
»Schön«, sagte Jamie. Er blickte mich an. »Du weißt Bescheid, nicht wahr?«
Ich nickte.
Er seufzte und ließ seinen Whisky im Glas kreisen, bevor er einen Schluck nahm. »Ich bin froh, daß sie sie gut behandelt haben. Sie haben es mir versprochen.«
»Mit › sie ‹ meinst du Francisco?«
Jamie nickte. »Wieviel weißt du?«
»Ich weiß, daß Francisco über dich ein Konto bei Dekker Trust eröffnet hat, um Geld zu waschen. Geführt wu r de das Konto von Alejo in Miami, der behauptete, für eine reich e m exikanische Familie zu arbeiten, zu der du ange b lich bei Gurney Kroheim Verbindungen geknüpft hattest. Ihr habt umfangreiche Geschäfte gemacht. Dann hat Ma r tin Beldecos wohl Verdacht
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