Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Marktmacher

Der Marktmacher

Titel: Der Marktmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
Vom Netzwerk:
denken. »Alles, was in meiner Macht steht, mein Freund.«
    »Haben Sie von dem Favela-Bairro -Projekt gehört?«
    »Ja.«
    »Und was halten Sie davon?«
    »Langweilig, würde ich sagen. Ich glaube, wir sind dagegen, aber ich habe vergessen, warum. Verschwendung von Steuergeldern, Vergrößerung des Haushaltsdefizits, solche Sachen.«
    »Ich habe eine interessante Information über das Geschäft.«
    »Wirklich?«
    »Ja. Der Finanzsenator unterhält Kontakte zu den Drogenbanden, die die F avelas kontrollieren. Das meiste Geld wird in ihre Taschen fließen, obwohl Humberto Alves n a türlich auch einen Anteil einstreichen wird. Ein Skandal, finden Sie nicht?«
    Bocci rieb sich das Kinn. »Vielleicht. Ich weiß nicht. Was gibt es für Beweise?«
    »Ach, das Übliche. Anonyme Quellen in den Kreisen der Hochfinanz.«
    »Sie haben davon gewußt?«
    »Wir haben es erfahren«, sagte Ricardo, »und uns daraufhin aus dem Geschäft zurückgezogen. Jetzt kümmert sich eine andere Bank darum, die bereit ist, beide Augen zuzudrücken.«
    »Wer ist das?«
    »Bloomfield Weiss, die amerikanische Investmentbank. « R icardo hielt inne und betrachtete sein Gegenüber. »Was halten Sie davon?«
    »Es ist ein Skandal, natürlich. Aber kein wirklich großer Skandal. Und es gibt keine hieb- und stichfesten Beweise. Ich weiß nicht.«
    »Verstehe«, sagte Ricardo. Er nahm sich eine Zigarette aus seinem Zigarettenetui und bot auch Bocci eine an, der sich bediente. Als beide Zigaretten angezündet waren, fragte Ricardo: »Und was macht das Geschäft?«
    Genüßlich ließ Bocci den Rauch zur Decke steigen und lächelte. »Wunderbar, ganz wunderbar. TV GoGo entwickelt s ich prächtig. Das Konzept kommt an – kommerzielles Fernsehen fürs Volk. Die Zuschauer verstehen das. Und die Werbetreibenden auch. Bereits nach einem Jahr sehen die Bilanzen besser aus als in der Prognose, die wir Ihnen g e geben haben.«
    Ricardo lächelte. »Ich weiß, ich habe die Zahlen gesehen. Es ist immer wieder schön, wenn jemand seine Voraussagen übertrifft. Glauben Sie mir, das kommt nicht al l zu häufig vor.« Gedankenverloren inhalierte er den Rauch seiner Zigarette. »Glauben Sie, daß das Konzept auch in, sagen wir, São Paulo funktioniert?«
    Bocci starrte ihn an. Ricardo hielt seinem Blick stand, ohne mit der Wimper zu zucken.
    »Ganz bestimmt. Aber dafür würden wir natürlich Geld brauchen.«
    »Wieviel?«
    »Fünfzig Millionen Dollar.«
    Ricardo nickte. »Ich bin sicher, daß wir soviel auftreiben können. Natürlich müssen Sie erst einmal genaue Pläne vorlegen. Rufen Sie Isabel an, wenn Sie soweit sind, und wir machen das dann.«
    »Ich muß mir gewiß sein, daß wir das Geld aufbringen können. Müssen Sie nicht mit Anlegern sprechen und dergleichen?«
    Ricardo winkte lässig ab. »Natürlich muß das alles geschehen, aber ich bin sicher, daß ich das Geld zusammenbekomme, Oswaldo. Und mein Wort ist besser als ein Stück Papier. Das wissen Sie.«
    Bocci lächelte höchst zufrieden. »Sehr schön.«
    »Gut«, sagte Ricardo, »haben Sie sich entschieden, was für e in e redaktionelle Linie Sie in dieser Favela -Geschichte verfolgen wollen?«
    Das war ’ s dann. Der Favela -Deal war geplatzt. Bloomfield Weiss hatte seine Lektion bekommen: Dekker Ward schnappt man kein Geschäft vor der Nase weg. Die Miss i on war erfüllt, wir konnten nach Hause fahren.
    Ich kochte vor Wut. Ich konnte nicht fassen, was Ricardo eben getan hatte. Auch Isabel war offenbar zornig. Aber sie konnte schlecht etwas sagen. Wenn sie nicht zugelassen hätte, daß Bloomfield Weiss sich den Auftrag holte, dann wäre das Geschäft wie geplant zustande gekommen. Ricardo konnte nicht entgangen sein, wie wir die Sache s a hen, aber es schien ihm nichts auszumachen.
    Wir verließen Boccis Büro, holten unser Gepäck im Hotel ab und fuhren beklommen schweigend zum Flughafen. Selbstverständlich flogen wir erster Klasse. Ricardo übernahm das Einchecken. Mit großem Unbehagen stellte ich fest, daß ich den Sitz neben Ricardo hatte. Isabel saß uns gegenüber.
    Auch beim Essen im Flugzeug hielt das Schweigen an. Ricardo sah einen Stapel Papiere durch. Er hatte einen jener übergroßen Aktenkoffer, wie man sie oft bei Anwälten sieht. Ein Aktenkoffer in Normalgröße hätte ihn nicht mit dem Arbeitspensum für eine zweitägige Geschäftsreise ve r sorgt. Ich blickte aus dem Fenster in den schwarzen Hi m mel. Ricardo hatte noch nicht einmal eine Nacht in Brasil i en verbracht. Eine Stunde

Weitere Kostenlose Bücher