Der Marktmacher
Aber drinnen, da s a ßen die Leute mit Geld sicher und kühl in ihren Anzügen.
Ein Wagen fuhr vor, und wir sahen Ricardos hohe, schlanke Gestalt aussteigen. Er sah keineswegs so aus, als habe er die Nacht im Flugzeug verbracht. Sein Schlips war sauber über einem frischen weißen Hemd gebunden, und sein Anzug sah aus, als hätte er ihn gerade vom Schneider bekommen. Ein Boy brachte seine beiden Gepäckstücke herein, eine kleine Reisetasche und einen großen Akte n koffer.
Nervös standen Isabel und ich auf.
Ricardo erblickte uns und lächelte. »Wie geht es Ihnen, Nick?«
»Okay. Ein bißchen angeschlagen und ein bißchen durcheinander.«
»Das kann ich mir vorstellen. Sie haben Glück gehabt, habe ich mir sagen lassen.«
»Ja. Obwohl es natürlich nicht gerade Glück war, daß man mich angegriffen hat.«
Ricardo schüttelte den Kopf. »Zuerst Martin in Caracas, und jetzt Sie hier. Das Reisen ist heutzutage wirklich gefährlich.« Dann ging er hinüber zur Rezeption. »Warten Sie einen Augenblick, ich will mich nur anmelden«, sagte er. Wir taten, wie uns geheißen.
Er füllte die Formulare aus und war wenig später wieder zurück. »Trinken wir eine Tasse Kaffee miteinander?«
Die Frühstückszeit war fast vorüber, aber man führte uns noch an einen der Tische und brachte uns Kaffee. Ricardo zog sein Jackett aus, lehnte sich zurück und seufzte. Er schloß die Augen und dehnte sich. Dann beugte er sich nach vorn und blickte Isabel in die Augen.
»Okay. Zuerst einmal möchte ich Ihnen sagen, daß ich sehr beeindruckt von Ihrer Arbeit an dem Favela-Bairro -Deal bin. Das ist genau die Art von Kreativität, die wir bei Dekker Ward brauchen.«
»Danke«, stammelte Isabel, überrascht und erleichtert.
»Daß uns das Geschäft durch die Lappen gegangen ist, daran sind die Arschlöcher vom World Development Fund schuld. Ich weiß nicht, ob Sie es irgendwie hätten verhi n dern können. Auf jeden Fall ist es zu spät, um sich noch darüber Gedanken zu machen. Aber ich will auf gar keinen Fall, daß Bloomfield Weiss das Geschäft macht. Die müssen wissen, daß sie so etwas nicht mit mir machen kö n nen.«
Isabel und ich nickten. Dein Wille geschehe, Ricardo.
Er blickte auf die Uhr. »Wo stehen wir? Es ist jetzt zehn Uhr. Um zehn Uhr fünfundvierzig habe ich ein Treffen mit Oswaldo Bocci verabredet. Da bleibt uns gerade noch g e nug Zeit, um unseren Kaffee zu trinken.«
O swaldo Boccis Büro lag im obersten Stockwerk eines zylindrischen Glasbaus, über dessen Eingang die Inschrift TV GoGo prangte. Es hatte eine jener phantastischen Aussichten auf Rio, an die ich mich allmählich gewöhnte, diese hier auf die Bucht von Guanabara, die zwischen anderen prächtige n B ürogebäuden hindurchschimmerte. Die Sessel waren mit hellblauem Leder bezogen, während an den Wänden abstrakte Gemälde eine tropische Farbenpracht entfalteten. Ein paar indianische Kunstgegenstände schmückten den großen Raum, vielfach Skulpturen mit übertriebenen Hängebrüsten oder überdimensionierten Geschlechtsteilen. Sie trugen alle Beschriftungen und wurden etwas protzig zur Schau gestellt.
Bocci war sehr kräftig, etwa vierzig, hatte pechschwarzes Haar und ein ausgeprägtes Kinn. Er trug ein offenes Seidenhemd, das seinen muskulösen Oberkörper eng u m spannte. An Händen, Hals und linkem Ohr glitzerte es go l den. Sein After-shave wetteiferte mit dem Duft der exotischen Blumen, die in einer hohen Vase neben dem Schreibtisch standen.
Im Taxi hatte Ricardo mich über Bocci unterrichtet. Offenbar gehörte er zu einer Anzahl Medienunternehmer, die angetreten waren, Roberto Marinho und seinem Globo -Imperium die Herrschaft über Herz und Verstand des brasilianischen Fernsehvolks streitig zu machen. Nachdem er sich als erfolgreicher Zeitungsverleger in Rio und Minas Gerais profiliert hatte, betrieb er nun einen Fernsehsender im Einzugsgebiet von Rio, den er aus dem Nichts heraus aufgebaut hatte und der noch erfolgreicher war als erhofft. Für das nötige Geld hatte Dekker Ward gesorgt.
Ricardo begegnete er mit Herzlichkeit, mir mit Höflichkeit und Isabel mit Anzüglichkeit. Sie übersah es geflissen t lich.
Nach einer kurzen Erörterung der Aussichten von Flamengo, die brasilianische Fußballmeisterschaft zu gewi n nen, kam Ricardo zur Sache. »Wir brauchen Ihre Hilfe, Oswaldo.«
Boccis Gesicht hellte sich auf, er lächelte. Es war kein großzügiges Lächeln; vielmehr schien er an eine Art Geben und Nehmen, einen Deal, zu
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