Der Marktmacher
brasilianischen Kollegen, wechselte den Verband und sagte, ich solle eine Woche zu Hause bleiben. Daran war nicht zu denken, aber ich trug ihrem Rat insofern Rechnung, als ich das Fahrrad zu Hause ließ und mit der U-Bahn und der Docklands Light Railway zum Canary Wharf fuhr. Es war entsetzlich, und ich schwor mir, mich am Montag wieder aufs Rad zu setzen, mochte die Brust noch so weh tun.
Enttäuscht sah ich, daß der Schreibtisch neben mir verwaist war. Isabel war unterwegs.
Aber Jamie war da, und ich freute mich, ihn zu sehen.
»Was für eine Reise! Bist du okay? Wo hat dich das Me s ser erwischt? Kann ich mal sehen?«
»Bist du bescheuert?« sagte ich. »Ich habe heute morgen einen neuen Verband gekriegt. Glaubst du, ich lege deine t wegen meine Brust frei?«
»Na gut.« Jamie mimte den Enttäuschten. »Wie ist e s p assiert?«
Im Gegensatz zu den anderen scheute er sich natürlich nicht, mich danach zu fragen. Ich erzählte es ihm.
»Himmel!« Er schüttelte den Kopf. »Zwei Zentimeter weiter links oder rechts, und es wäre aus gewesen.«
»Das ist wohl richtig.«
»Und? Wie fühlst du dich?«
»Den Umständen entsprechend gut«, sagte ich. »Zumindest, soweit es den Messerstich betrifft. Aber hast du gehört, was Ricardo gemacht hat?«
»Mit dem Favela -Deal? Er hat ihn platzen lassen, oder?«
»Ja. Ich fasse es einfach nicht. Nach allem, was Isabel auf die Beine gestellt hat. Ich habe eine gesehen, weißt du? E i ne Favela . Da muß irgend etwas geschehen.«
»Ich weiß«, sagte Jamie. »Es ist sicher schlimm für sie. In diesem Geschäft geht es manchmal beinhart zur Sache.«
»Da ist noch was.« Ich griff in die unterste Schublade meines Schreibtischs, um das Fax an Martin Beldecos herauszuholen. Es war nicht mehr da.
»Komisch«, sagte ich.
»Was?«
»Vor meiner Abreise nach Brasilien habe ich hier ein Fax reingelegt. Ich bin ganz sicher.«
Jamie machte Anstalten aufzustehen und zu gehen.
Ich hielt ihn am Ärmel fest. »Nein, warte. Es ist wichtig.«
Jamie sah mir zu, wie ich meinen Schreibtisch durchsuchte. Es war nicht da. Ich überlegte, ob ich es woanders hingelegt haben könnte. Hatte ich es vielleicht mit nach Hause oder nach Brasilien genommen?
Nein, es hatte ohne jeden Zweifel in dieser Schreibtischschublade gelegen. Und jetzt war es weg.
»Worum ging es in dem Fax?« fragte Jamie.
Ich stellte die Suche ein und richtete mich auf. »Es war ein Fax von der United Bank of Canada auf den B a hamas a n M artin Beldecos. Darin hieß es, der Mann hinter den Konten, für die jener sich interessierte, werde mit einem mutmaßlichen Geldwäscher in Zusammenhang gebracht.«
»Wirklich? Stand da auch, welches Konto?«
»Ich glaube, das der International Trading and Transport (Panama). Zumindest war es das Unternehmen, das Geld auf ein Nummernkonto bei Dekker Trust auf den Caymans eingezahlt hat.«
»Klingt glaubhaft«, sagte Jamie. »Das ließe sich sehr schwer zurückverfolgen.« Er machte ein nachdenkliches Gesicht.
»Was bezeichnet man eigentlich als Geldwäsche?« fragte ich.
»Die Umwandlung von schmutzigem Geld«, erwiderte Jamie. »Geld aus Drogengeschäften, Schmuggel oder organisierter Kriminalität, vor allem aber aus dem Drogenha n del. Für die Polizei ist es oft leichter, das Geld zurückzuve r folgen als die Drogen, deshalb lassen sich die Gangster alle möglichen Tricks einfallen, um die Herkunft des Geldes zu verschleiern und es anonym investieren zu können. In der Regel benutzen sie dazu Off-shore-Filialen.«
»Auf den Cayman Islands zum Beispiel?«
»Genau. Aber es können auch Panama, Gibraltar, sogar die Kanalinseln oder die Schweiz sein. Es gibt Dutzende von Möglichkeiten. Einige dieser verschlungenen Geldpf a de sind sehr kompliziert.«
»Verstehe«, sagte ich. »Und Martin Beldecos hatte einen dieser Geldpfade entdeckt?«
»Vielleicht.«
»Also, was meinst du?«
»Wozu?«
»Was hätte ich mit dem Fax tun sollen? Ich meine, bevor es verschwunden ist. Eduardo hat gesagt, wenn ich weitere Nachrichten für Martin Beldecos erhalten sollte, hätte ich sie ihm persönlich auszuhändigen. Aber bei dieser hier bin ich mir nicht ganz so sicher.«
»Warum nicht?«
Jamies Sorglosigkeit verunsicherte mich. Vielleicht ging meine Phantasie mit mir durch. »Na ja, falls er sowieso schon davon weiß«, meinte ich zögernd.
»Hmm.« Jamie dachte nach. »Verstehe, was du meinst. Na, er würde in jedem Fall ausrasten, wenn du ihm erzählst, daß du es verloren
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