Der Marktmacher
geschickten Make-ups sah ich die feinen Linien um Mund und Augen. Es waren harte Augen. Doch auf diese Entfernung wäre es für jeden heterosexuellen Mann über zwölf unmöglich gewesen, an ihrer Brust vo r beizusehen.
Ich versuchte, meine Gedanken wieder zu ordnen. » Stimmt, aber Rio ist eine sehr schöne Stadt. Die schönste, die ich je gesehen habe. Kommen Sie von dort?«
»Nein, aus São Paulo. Aber mein Vater hat geschäftlich viel in Rio zu tun. Wir haben da ein Haus. Mein Bruder verbringt jetzt viel Zeit dort.«
»Was macht er?«
»Ich weiß das eigentlich gar nicht so recht. Francisco bezeichnet sich als Finanzier, aber fragen Sie mich bitte nicht, was das eigentlich bedeutet. Ich habe noch zwei weitere Brüder – der eine kümmert sich ums Familiengeschäft in São Paulo, der andere kandidiert für ein Regi e rungsamt.«
So, so, Luciana hatte also einen Bruder, der Francisco hieß und Finanzier war. Interessant.
»Vermissen Sie Brasilien denn nicht?« fragte ich.
»Natürlich, aus diesem Grund fliege ich so oft wie möglich dorthin. Aber was bleibt mir auch anderes übrig? Ich bin Ricardo in Amerika begegnet, als ich noch jung war. Wir haben uns verliebt und geheiratet.« Sie lächelte . » Es gibt Schlimmeres. Und dann habe ich noch mein Geschäft.«
»Was machen Sie?«
»Ich bin Innenarchitektin. Ich habe Kunden in London, Paris, New York. Die meisten sind Lateinamerikaner. Sie möchten Dinge um sich haben, die sie an ihre Heimat erinnern. Ich entwerfe exquisite Inneneinrichtungen mit heimatlichen Stilelementen. Etwas, was die Persönlichkeit des Lateinamerikaners in Nordeuropa widerspiegelt. H a ben Sie den Salon gesehen?«
»Ja, er hat mir sehr gut gefallen. Könnten Sie sich nicht einmal meiner Wohnung annehmen?« fragte ich.
»Liebend gern, aber ich glaube, ich bin ein wenig zu teue r f ür Sie.« Sie sah mich aufreizend über den Rand ihres Champagnerglases an.
Wieder wurde ich rot. Ich konnte einfach nichts dagege n m achen. »Na gut«, sagte ich. »Dann bleibe ich vielleicht doch besser bei Ikea und Dulux.«
Sie lachte. »Erzählen Sie mir, was Sie sich in Rio anges e hen haben.«
Das tat ich. Ich lieferte einen ungeschminkten Bericht von den Favelas , Cordelias Kinderhort, von den Jungen, die mich angegriffen hatten. Interessiert hörte sie mir zu. Sie war gewiß nicht dumm. Ich war geschmeichelt, daß e i ne so schöne, kultivierte und, geben wir ’ s ruhig zu, so au f regende Frau an meinen Lippen hing.
Plötzlich wurden wir unterbrochen. » Oi, Luciana, tudo bem? « , Isabel beugte sich vor und küßte Luciana auf beide Wangen.
» Tudo bem « , antwortete sie. »Nick kennen Sie natürlich.«
»Ja, wir haben gerade eine gemeinsame Reise hinter uns gebracht«, sagte Isabel.
»Ach, Sie waren zusammen mit ihm in Rio? Sie haben mir gar nicht erzählt, daß Ihnen Isabel alle diese Dinge g e zeigt hat, Nick.«
Sie hatte recht. Ich hatte Isabel mit keinem Wort erwähnt. Verlegen zuckte ich die Achseln.
»Nun, dann vertraue ich ihn Ihrer Obhut an«, sagte Luciana, schenkte mir ein sprödes Lächeln und entschwebte, um jemand anders mit ihrer Anwesenheit zu beglücken.
»Sie scheinen sich ja ausgesprochen angeregt unterhalten zu haben«, sagte Isabel.
»Das haben wir.«
»Sie hat Sie ja vollkommen in Beschlag genommen. Dabei könnte sie Ihre Mutter sein.«
»Wohl kaum.«
»Sie ist zweiundvierzig.«
»Ach ja? Meine Mutter ist achtundfünfzig.«
»Sie frißt Sie bei lebendigem Leib.«
»Hören Sie auf!« sagte ich. »Ich denke, sie ist mit Ricardo verheiratet.«
» Ja. Wenn er denn einmal da ist. Was angesichts seines Arbeitspensums so gut wie nie der Fall ist. Den Rest der Zeit gehört sie nur sich selbst.«
»Das sagen Sie.«
»Das sagt hier auch eine stattliche Anzahl jüngerer Männer. Fragen Sie nur Ihren Freund Jamie.«
»Isabel!«
»Tut mir leid.«
»Das ist doch ziemlich riskant, sich mit der Frau des Chefs einzulassen, oder?«
»Genau meine Meinung. Deswegen bremsen die meisten auch ihren Charme. Sie wissen, was passieren würde, wenn Ricardo es herausfände.« Sie blickte mich leicht a n züglich an, als sie das sagte.
»Vielen Dank für den Karrieretip.«
Innerlich mußte ich lachen. Hinter der Neckerei verbarg sich Eifersucht. Ich hatte sie wirklich nicht provozieren wollen, fand den Gedanken, daß ich ihr nicht gleichgültig war, aber überaus angenehm. Ich schaute auf und sah, daß sie mich anlächelte. Am liebsten hätte ich sie an mich gezogen und
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