Der Marktmacher
angewiesen.«
»Also brauchen sie sich gegenseitig.«
»Das glauben sie. Ich bin aber der Meinung, sie kämen beide besser allein zurecht.«
Sie stieg aus dem Bett und ging nackt zum Fenster. Ich folgte ihr mit den Augen.
»Sieh nur!« sagte sie. »Hast du schon einmal einen unserer typischen Wolkenbrüche erlebt?«
Ich trat zu ihr und legte den Arm um sie. Am Horizon t b raute sich ein dicker schwarzer Streifen zusammen. Während wir ihn betrachteten, wuchs er rasch zu einem dun k len Tuch an, das über den Himmel auf uns zujagte. Die Brise, die durchs offene Fenster hereinwehte, wurde heft i ger. Noch immer im Sonnenschein liegend, kauerte sich die Stadt vor der drohenden Wolkenwand zusammen. Dann erreichte das Tuch uns und verdunkelte den ganzen Himmel, der sich öffnete und die Wassermassen herabstürzen ließ. Durch das offene Fenster prasselten die Ri e sentropfen herein. Auf dem Hof unter uns brachen Ta u sende winziger Fontänen auf, und die Oberfläche des Swi m mingpools zerfiel in unzählige wütender Strudel.
»Himmel, was für ein Anblick«, sagte ich.
»Wir brechen besser auf. Bei solch einem Wetter artet der Verkehr von Rio zu einem Alptraum aus.«
Wir duschten, zogen uns an und hasteten dann unter einem der weißen Hotelregenschirme zu einem Taxi. Als ich zu Isabel auf den Rücksitz kletterte, hatte ich den Eindruck, jemanden zu sehen, der mir irgendwie bekannt vo r kam. Während das Taxi anfuhr, drehte ich mich noch ei n mal um.
»Was ist?« fragte sie, einen entzückenden Regentropfen an der Nasenspitze.
»Ich dachte, ich hätte den Fahrer des Wagens hinter uns wiedererkannt. Ich könnte schwören, daß er heute morgen am Flughafen auf jemanden gewartet hat.«
»Wo?« Sie wandte sich um und blickte zurück.
Heftig klatschte der Regen auf das Rückfenster und überzog es mit einem Wasservorhang.
»Ich kann ihn nicht mehr sehen, auch sein Auto nicht. Es war ein Fiat, glaube ich. Blau.«
Beide starrten wir hinaus, aber bei diesem Unwetter war es ein vergebliches Unterfangen, etwas erkennen zu wo l len.
»Bist du sicher?« fragte Isabel.
»Um ehrlich zu sein, nein. Es war nur ein flüchtiger Eindruck.«
Sie drückte mir die Hand. »Du bist nervös, seit der Geschichte am Strand. Verständlich, aber Rio ist in Wirklic h keit gar nicht so gefährlich.«
»Wahrscheinlich hast du recht«, sagte ich, was mich jedoch nicht daran hinderte, hin und wieder durchs Rückfenster zu schauen. Ich konnte nichts erkennen.
Wir wollten uns im Rio Yacht Club mit Luís treffen. Die Fahrt dauerte eine Dreiviertelstunde. Der Verkehr quälte sich nur mühsam dahin. Alle abschüssigen Straßen hatten sich in Sturzbäche verwandelt, die teilweise die Räder der Autos vollkommen im Wasser verschwinden ließen.
Als wir den Jachtklub erreichten, war es schon dunkel. Luís erwartete uns bereits und begrüßte Isabel mit einer zärtlichen Umarmung, die sie liebevoll erwiderte. Über das Wiedersehen mit mir schien er sich aufrichtig zu freuen, was wiederum mich erfreute. Natürlich gab es einen kle i nen Jachthafen neben dem Klubhaus, von dem aus wir die Segelboote undeutlich auf der regengepeitschten See dümpeln sahen. Nach und nach schwächte sich das trop i sche Unwetter ab. Nun konnten wir jenseits der Bucht im Regen die Gebäude von Botafogo und über uns die eindrucksvolle Kontur des Zuckerhuts sehen.
Ich trank die obligatorischen Caipirinhas – in der weisen Erkenntnis, daß in Brasilien kein Ausländer an ihnen vo r beikommt – und aß irgendeinen phantastischen Fisch, de s sen Namen ich nicht genau verstanden hatte. Luís und Isabel gaben sich große Mühe, alle verfänglichen Themen zu vermeiden, so daß das Essen diesmal vollkommen friedlich verlief. Isabel war glücklich, sehr lebhaft und sonnte sich in der Aufmerksamkeit ihres Vaters und der meinen.
»Also, Sie wollten das Wochenende nicht in São Paulo verbringen, Nick?« fragte Luís lächelnd.
»Isabel schien sich für den Gedanken nicht sehr erwärmen zu können.«
»Wo seid ihr gewesen?« fragte er Isabel.
»Am Ponte«, sagte sie.
»Ah, sehr schön. Hat Ihnen der Anblick dort gefallen, Nick?«
»Oh, Papai!«
Ich grinste. »Nun, wie einer unserer Dichter so trefflich zu formulieren wußte: › Wasser, Wasser, allenthalben, doch zu trinken nicht einen Tropfen. ‹ «
Luís schien das sehr zu belustigen, Isabel zog eine Grimasse.
»Jedenfalls freut es mich, daß du ein paar Minuten für deinen alten Vater erübrigt hast«, sagte
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