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Der Marktmacher

Der Marktmacher

Titel: Der Marktmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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auch nur so ein Mythos.«
    »Nicht ganz.«
    Schweigend wartete ich darauf, daß sie fortfuhr.
    »Ricardo war es, der den Studenten getötet hat.«
    »Ricardo?«
    Sie stützte sich auf die Ellenbogen. »Ja, es war ein Unfall, für den niemand etwas konnte. Auf einer Party in Caracas. Der andere Bursche war betrunken und wollte R i cardo verprügeln, weil sich dieser angeblich an seine Freundin rangemacht hatte. Ricardo traf ihn härter, als von ihm beabsichtigt. Der andere ging rückwärts über den Balkon, fiel vier Stockwerke tief. Scheußliche Geschichte.«
    »Dann hatte Eduardo nichts damit zu tun?«
    »Ein bißchen schon. Die Zeugen waren alle mit dem Studenten und weniger mit Ricardo befreundet. So kam es, daß die Polizei Ricardo ins Gefängnis steckte. Sie waren gerade dabei, ihn zu einem Geständnis zu ›überreden‹, als Eduardo kam und alles regelte.«
    »Wie?«
    »Weiß ich nicht. Aber Eduardo hatte schon immer ein besonderes Geschick für die Handhabung von dererlei Situationen gehabt. Jedenfalls war Ricardo im Handumdrehen wieder auf freiem Fuß.«
    »Hat Ricardo dir das erzählt?«
    »Ja, er fühlt sich noch immer schuldig. Und Eduardo ist er sehr dankbar.«
    »Wenn ich nichts glaube, das glaube ich sofort.« Ich konnte ihm seine Schuldgefühle tatsächlich gut nachfühlen. Eines Abends in Oxford hatte Jamie mit einem zwei Meter großen Rugbyspieler von der Universität Kapstadt Streit bekommen. Größe ist noch nie ein Argument für Jamie gewesen. Das macht seinen Kopfstoß nur noch wirkungsvoller. Der Südafrikaner taumelte rückwärts auf die Straße. Ein Lieferwagen, der mit hohem Tempo die leere High Street entlangschoß, kam mit quietschenden Bremsen zum Halten. Vorher erwischte er den Südafrikaner, aber nicht schlimm. Dem war nichts passiert. Doch wenn der Fahrer nicht so geistesgegenwärtig reagiert hätte …
    »Diese eigenartige Beziehung, die Eduardo und Ricardo zueinander haben«, sagte ich, »hat wahrscheinlich darin ihren Grund.«
    »Nicht nur darin. Ich glaube, es hat auch viel mit ihrem Vater zu tun. Anscheinend war der ein ziemlich erfolgre i cher Geschäftsmann. Die Brüder haben ihn nicht viel zu Gesicht bekommen. Genausowenig wie die Mutter, die sich nach Kräften bemüht hat, das Geld auszugeben, das der V a ter verdiente. Ricardo hat seinen Vater verehrt. Er erzählte mir, er hätte sich immer um dessen Anerkennung bemüht, aber jener habe seine Leistung nie wirklich zur Kenntnis genommen. Und so hätte er sich immer nur noch mehr a n gestrengt.«
    »Ja, so ähnlich hat er es mir gegenüber auch dargestellt. Aber was ist mit Eduardo?«
    »Ich glaube, Ricardo ist der Argentinier und Eduardo der Venezolaner. Soweit ich weiß, wollte die Mutter, daß Eduardo in Venezuela erzogen wurde. Als Erwachsener hat Ricardo dort nie gelebt, während Eduardo sich oft in Venezuela aufgehalten hat. Die teuren Klamotten, die Autos, die Rennboote, die Mädchen, die Apartments in Miami. Er ist der typische venezolanische Sohn aus reichem Haus.«
    »Das ist wirklich ein Geschoß von einem Wagen, den er da fährt«, sagte ich.
    »Was, der › Testosterone ‹ ? Ich habe aufgehört zu zählen, wie oft er versucht hat, mich da reinzukriegen.«
    Ich grinste. Besonders übelnehmen konnte ich es ihm nicht.
    »Jedenfalls trank Ricardos Vater«, fuhr Isabel fort. »Anfang der achtziger Jahre, als die Ölpreise ins Bodenlose fi e len, ging es mit seinen Geschäften bergab. Da hat er Trost im Alkohol gesucht. Mit zweiundsechzig war er tot. Rica r do war siebenundzwanzig.
    Du weißt ja, Ricardo kann nichts auf die leichte Schulter nehmen. Er hielt es für seine Pflicht, sich um seine Mutter und seinen Bruder zu kümmern. Vor allem um den Br u der. Eduardo hatte ständig Schwierigkeiten mit Drogen. Ricardo trieb das Geld für eine teure Suchtklinik in den Vereinigten Staaten auf und überredete Eduardo zu e i ner Entziehungskur.«
    »Ricardo hat Eduardo also immer aus der Patsche geholfen?«
    »So einfach ist das nicht. Sie schulden sich gegenseitig eine Menge. Ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob sie sich mögen. Eduardo hält Ricardo für zu zimperlich und für einen Kontrollfreak. Aber er ist neidisch auf Ricardos Erfolg und möchte gern daran teilhaben. Ricardo findet, daß Eduardo über keinerlei Selbstdisziplin verfügt und eine Gefahr für sich und andere darstellt. Auf eigentümliche Weise haben sie wahrscheinlich beide recht. Jedenfalls glaubt jeder, der andere sei auf seine Hilfe

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